ADB:Camphausen, Ludolf

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Artikel „Camphausen, Ludolf“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 425–428, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Camphausen,_Ludolf&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 02:56 Uhr UTC)
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Camphausen: Gottfried Ludolf C., preußischer Staatsmann, wurde am 10. Januar 1803 geboren im Flecken Hünshoven, Kreis Geilenkirchen im preußischen Regierungsbezirke Aachen. Der Vater war Kaufmann Gerhard Gottfried C. aus einer in Handel und Industrie hervorragenden Familie des Rheinlands. Die Mutter war Maria Wilhelmine geb. Peuchen. Vorgebildet auf dem Gymnasium zu Weilburg sowie auf den Handelsschulen zu Rheydt und Burg a. d. Wupper, widmete er sich dem Handelsstande, brachte seine geschäftliche Lehrzeit in Düsseldorf zu und begründete 1826 mit seinem älteren Bruder August in Köln das Bankgeschäft A. & L. Camphausen. Hier zeichnete er sich durch großen Eifer in Förderung gemeinnütziger Angelegenheiten bald so sehr aus, daß er zu den ersten und angesehensten Bürgern zählte. Größere Aufmerksamkeit lenkte er auf sich, nachdem er dem damaligen Oberbürgermeister eine Denkschrift wegen Aufnahme einer städtischen Anleihe mit progressivem Tilgungsplan und genauer Ausarbeitung der Tilgungsraten überreicht hatte. Er wurde Mitglied des Stadtraths und bald auch der Handelskammer, deren Präsident er von 1838 bis 1848 gewesen ist. Ganz besonders ließ C. sich angelegen sein, auf Verbesserung der Verkehrsmittel hinzuwirken. Die Frage über die Möglichkeit der Erbauung von Eisenbahnen beherrschte damals die Gemüther in Preußen und sie war zugleich eine politische, weil in jedem Falle, auch für Leistung von Zinsbürgschaft an baubereite Gesellschaften, die Berufung der Reichsstände gesetzlich vorgeschrieben, vom König Friedrich Wilhelm III. und von seinem Nachfolger jedoch nicht gewünscht war. C. war einer der ersten in Preußen, die aus dem Studium der englischen Eisenbahngesetzgebung Nutzen für die heimischen Verhältnisse zu ziehen suchten. Ueber eine Eisenbahn von Köln nach Antwerpen verfaßte er zwei Schriften (1832 u. 35). Im J. 1833 [426] hatte er über denselben Gegenstand eine längere Unterredung mit dem damaligen Kronprinzen. Seine hauptsächlichste Schrift war der „Versuch eines Beitrags zur Eisenbahngesetzgebung“ (1838). Behufs Herstellung einer Eisenbahnverbindung vom Rhein zur Schelde bildete sich eine Gesellschaft, als deren Vorsitzender C. die Vorarbeiten leitete bis ihm die Anstrengungen für Durchsetzung der von ihm als richtig erkannten Grundsätze so groß wurden, daß er 1837 austrat. Bei der Ausführung der Köln-Mindener und der Köln-Bonner Eisenbahn war er lebhaft betheiligt, ebenso bei der Gründung der rheinischen Dampfschleppschifffahrts-Gesellschaft „Colonia“ wie auch der älteren „Rheinischen Zeitung“ in Köln. Jene Gesellschaft sollte die Befreiung der rheinischen Schifffahrt von den Niederlanden vollenden, und seinen Bemühungen gelang es, daß seit 1845 das Schiff „Die Hoffnung“ direct zwischen Köln und Stettin wie auch mit London verkehrte. 1843 Vertreter Kölns im rheinischen Provinziallandtage, bewog er diesen, für Preßfreiheit und für Berufung einer Volksvertretung gemäß den Bestimmungen des Wiener Congresses und der Verordnung vom 2. Mai 1815 aufzutreten. So in die Reihe der deutschen Vorkämpfer für politische Reformen eingerückt, war seine Wahl in den Vereinigten Landtag von 1847 selbstverständlich, in welchem er sodann, neben v. Beckerath, Hansemann, v. d. Heydt, Mevissen, Graf Schwerin und v. Vincke, als Führer der Opposition für Erweiterung der Volksrechte auftrat. Gleich bei Berathung der auf die Thronrede zu erlassenden Adresse machte er dem königlichen Commissar gegenüber geltend, daß das Recht zur Berathung allgemeiner Gesetze nur einer Körperschaft, nicht den Provinzialständen neben dem Vereinigten Landtage zustehen könne, und daß überhaupt die ständische Vertretung nicht mehr eine fünffache sein dürfe, sondern eine einheitliche sein müsse. Er tadelte an der Verordnung vom 3. Februar, durch welche der Vereinigte Landtag ins Leben gerufen war, den Mangel der Bestimmung seiner periodischen Berufung, die mehrfache Beschränkung seines Bittschriftenrechts und Anderes. Nachdem aber der Versuch mißglückt war, eine besondere Wahrung der ständischen Rechte in der Adresse niederzulegen, war C. mit v. Beckerath und v. d. Heydt der Ansicht, daß in der Verfassungsfrage nunmehr bloß noch der Weg der Petition betreten werden könne. Die Genannten schlossen sich daher von der Unterzeichnung der „Declaration“ aus, welche von 139 Mitgliedern dem Marschall der Dreiständecurie überreicht wurde. Weiter trat C. auf für v. Beckerath’s Antrag auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs wegen Aufhebung des die Wählbarkeit an das religiöse Bekenntniß knüpfenden Gesetzes. Ferner ging von ihm die Anregung aus, den Hauptfinanzetat und die Uebersicht der Finanzhauptverwaltung an eine Abtheilung zur Prüfung und Berichterstattung zu weisen. Bei Berathung der Verordnung wegen Ausschließung bescholtener Personen von den ständischen Verhandlungen verwandte er sich mit theilweisem Erfolge für eine mildere Norm. Mit Entschiedenheit forderte er, namentlich dem Minister des Innern gegenüber, die periodische Berufung des Landtags. Nicht überall stand er jedoch in Opposition, vielmehr hielt er eine längere Rede für den Gesetzentwurf wegen Abschaffung der Mahl- und Schlachtsteuer sowie für Einführung einer Einkommensteuer, die, wie v. Vincke sich ausdrückte, wegen ihrer überzeugenden Klarheit dem Besten zuzuzählen sei, was im Landtage gesprochen worden. In einer Denkschrift zur Steuerreform empfahl er die reine Selbsteinschätzung. Als es sich dann schließlich darum handelte, ob die Liberalen den die Verfassung betreffenden Anträgen in der Gestalt, wie sie aus der Herrencurie zurückgekommen waren, zustimmen sollten, stimmte C. am 25. Juni für Nachgiebigkeit, damit nur überhaupt ein gemeinsamer Beschluß der Curien [427] und damit ein Boden erreicht werde, auf dem sich weiter bauen ließe; nachher aber erklärte er es in einer längeren Rede als seine Pflicht, die Regierung nicht in Zweifel darüber zu lassen, daß der Zwiespalt nicht geschlichtet sei und daß der von ihr eingeschlagene Weg ihn mit tiefer Betrübniß und Sorge für die Zukunft erfülle. Bald darauf fand der Umschwung vom März 1848 statt. Als dem Ministerium v. Bodelschwingh das Ministerium des Grafen v. Arnim-Boytzenburg folgte, war vom Könige dem ihm von früher her bekannten C. ein Ressort zugedacht, er verweigerte jedoch den Eintritt, weil die Hauptpersönlichkeit dieses Ministeriums zu wenig seinen politischen Anschauungen entsprach; als aber Graf Arnim sich der Lage nicht gewachsen zeigte, wurde am 29. März C. zur Bildung eine Ministeriums berufen. Dieses war, wie er selbst später öffentlich gesagt hat, „ein Ministerium, nach seiner persönlichen Zusammensetzung geeignet, den Staat ohne lebensgefährliche Zuckungen über die Kluft, welche das alte System von dem neuen trennt, hinüber zu führen“, er nannte es auch wol „ein Ministerium des Uebergangs, der Vermittlung“. Seine Regierung knüpfte nicht an die Revolution an, sondern an die Zeit vor ihr; in dem Bestreben aber, das überrumpelte Königthum wieder auf die Beine zu stellen, fand er nur eine schwache Stütze gegen das von allen Seiten gegen ihn anstürmende Demokratenthum; in stärkerem Maaße als den übrigen deutschen Märzministerien war ihm die Schwierigkeit der Lage beschieden, einerseits sich von den weitergehenden Liberalen bedrängt zu sehen, andererseits sich dem stilleren Wirken der nach der vormärzlichen Zeit zurück strebenden Elemente gegenüber stark genug zu fühlen. Erstere verübelten C., daß er, statt ein Wahlgesetz zu einer constituirenden Versammlung zu erlassen, am „Rechtsboden“ festhielt und den zweiten Vereinigten Landtag berief, ja an diesem Boden auch gegenüber den unvermuthet weitergehenden Forderungen dieser Versammlung festhielt. Diese nöthigte ihn jedoch zur Vorlegung eines Wahlgesetzes für eine Constituante, mit deren demokratischer Mehrheit er sodann vielfach in Streit gerieth. Sehr ungehalten war sie über die Rückberufung des Prinzen von Preußen aus England und über die plötzlich, ohne Camphausen’s Wissen erfolgte Abbestellung der Musterung der Berliner Bürgerwehr durch den König. Als er sodann „infolge der Verheißungen des Patents vom 18. März“ der preußischen Nationalversammlung einen Verfassungsentwurf „zur Erklärung“ vorlegte, sah deren demokratische Mehrheit darin eine völlige Nichtanerkennung der Revolution. Trotzdem scheute sie sich längere Zeit, das Ministerium ins Wanken zu bringen und sie wies deshalb den Verfassungsentwurf, den sie lieber gleich verworfen hätte, an eine Commission. Nachdem aber C. am 31. Mai in längerer Rede für Vereinbarung der Verfassung aufgetreten, die Versammlung dagegen am 15. Juni, unter Beseitigung jenes Entwurfs, eine Commission zur Bearbeitung einer demokratischen Verfassung eingesetzt hatte, trat C. am 26. Juni vom Amte zurück mit der Erklärung, die Zwecke seines Ministeriums seien erreicht, das Ministerium der Vermittlung müsse sich in eins der Ausführung umwandeln. Zuletzt warnte er die Versammlung: sie könne das erwünschte Ziel erreichen, in ihrer Hand liege es, wie bald die Verfassung zur Feststellung gelange. Auch jetzt noch hätte die Versammlung gern an C. festgehalten, sie hatte nur ein kräftigeres und sichereres Auftreten von ihm gewünscht, C. und Genossen wollten sich jedoch nicht zum Werkzeug der näherrückenden „Reaction“ machen. Die geschichtlichen Urtheile über das Ministerium Camphausen gingen einerseits dahin, daß es mit Aufopferung so lange als möglich den Schild vor das Königthum gehalten, andererseits dahin, daß es durch große Schwäche die „Reaction“ wieder habe erstarken lassen. Ende Juli 1848 wurde C. zum preußischen Bevollmächtigten [428] bei der provisorischen deutschen Centralgewalt ernannt. Kurz zuvor hatte H. v. Gagern versucht, ihn zum Eintritt in das Reichsministerium zu bewegen; die Unterredung, welche Beide hierüber hatten, blieb jedoch erfolglos, weil C. zu sehr den preußischen Standpunkt vertrat und in mehreren Maßregeln der Centralgewalt eine Mediatisirung Preußens erblickte. Als dessen Vertreter in Frankfurt a. M. entwarf er die preußische Circularnote vom 23. Januar 1849, in der die deutschen Regierungen aufgefordert wurden, zum Zweck einer Verständigung ihre Erklärungen über die Reichsverfassung vor deren zweiter Lesung in der Nationalversammlung abzugeben, um so dem Principienkampfe über die Frage der Vereinbarung auszuweichen. Als aber der König von Preußen die Reichsverfassung abgelehnt hatte, legte C. seine Stelle nieder, verließ Frankfurt am 1. Mai 1849 und trat aus dem Staatsdienste. 1849–50 wirkte er als Mitglied der preußischen Ersten Kammer mit Erfolg vermittelnd, im Volkshause des Reichstags zu Erfurt vertheidigte er als Referent des Verfassungsausschusses die En bloc–Annahme der Verfassung, und in der Ersten Kammer von 1850–51 gehörte er zur Opposition. Später ward er Mitglied des Herrenhauses. Sodann betheiligte er sich aufs neue an der Leitung des Kölner Bankhauses A. & L. Camphausen, zog sich aber 1868 ins Privatleben zurück und pflegte sich während des Sommers auf seiner Sternwarte Rüngsdorf bei Bonn mit astronomischen Studien zu beschäftigen. Die Auffindung einer neuen Methode für Ortsbestimmungen trug ihm von der Universität Bonn die Doctorwürde ein. Es war ihm beschieden, mit seiner Gemahlin Elise geb. Lenssen die diamantne Hochzeit zu feiern. Seine Tochter vermählte sich mit Justizrath Nacken in Köln. Hier ist er am 3. December 1890 gestorben.

K. Biedermann, Gesch. d. 1. pr. Reichstags. Lpz. 1847. – Reden u. Redner d. 1. Ver. Landtages 1847, S. 303. – Gutzkow, Deutschl. am Vorabend u. s. w., Werke Bd. 10, 260. – Edg. Bauer, Die Parteien. Pol. Revue Heft 1. Hamb. 1849. – Die d. Volks-Erheb. i. J. 1848, v. Lasker u. Gerhard, m. Bild Camphausen’s. Danzig 1848. – Grenzboten 1849, 2. Sem. Bd. 3 („C. u. d. d. Pol.“) u. 1850, 4. Quart. („Deutsche Staatsm. L. C.“). – v. Unruh, Skizzen a. Preuß. neuest. Gesch. Magdeb. 1849. – Gneist, Berlin. Zustände. Berlin 1849. – Gegenwart, Bd. 2, Lpz. 1849, S. 155. – Hansemann, Das pr. u. dtsch. Verf.-Werk. Berlin 1850, S. 91. – Stahr, Die pr. Revol. Oldenb. 1850. – Parl. Größen. Berl. 1850, Bd. 1. – Wolff, Berlin. Revol.-Chron., Bd. 3, Berlin 1854, S. 575. – Bunsen, Briefe, Bd. 3, S. 165. – v. Stockmar, Denkwürdigk. Brnschw. 1872, S. 602. – Nat.-Zeitg. v. 3. März 1878. – Temme, Erinnerungen. Lpz. 1883. – v. Sybel, Die Gründg. d. D. Reichs; Köln. Ztg. Nr. 346 v. 1890. – v. Unruh, Erfahrungen a. d. letzten 3 Jahren. Magdeb. 1851. – Nach Abschluß vorst. Art. erschien: Lud. Camphausens Leben. Nach s. handschr. Nachl. dargest. v. Anna Caspary. Stuttg. 1902. Das Werk enthält u. a. Briefe Fr. Wilhelm’s IV. u. d. Prinzen v. Preußen an C. aus 1848, namentlich über die Rückberufung des Prinzen Wilhelm u. über den Wunsch des Königs, diesen seinen Bruder neben Erzh. Johann u. Prinz Johann v. Sachsen zu einem der Directoren der deutschen Centralregierung bestellt zu sehen, die 1849 kurze Zeit an Stelle des Reichsverwesers geplant war.