ADB:Gerstner, Franz Josef Ritter von

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Artikel „Gerstner, Franz Joseph Ritter v.“ von Karl Karmarsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 67–69, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerstner,_Franz_Josef_Ritter_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 00:36 Uhr UTC)
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Gerstner: Franz Joseph Ritter v. G., Mathematiker und Ingenieur, geb. am 23. Febr. 1756 zu Komotau in Böhmen, wo sein Vater (ein Riemermeister) als Bürger angesessen war; † am 25. Juni 1832 auf dem Landgute Mladiegow bei Gitschin im (damaligen) Bidschowerkreise Böhmens. Er erhielt 1765–72 den ersten wissenschaftlichen Unterricht auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, wo er besondere Vorliebe für die Mathematik entwickelte, nebenher aber auch für Physik und Technologie Interesse gewann und sich mit dem Betriebe der am Orte vorhandenen Handwerke praktisch bekannt machte; setzte die Studien auf der Prager Universität fünf Jahre lang fort und machte – ungeachtet er einen Theil seines Unterhalts durch Orgelspiel in den Kirchen und Privatunterricht erwerben mußte – so bedeutende Fortschritte, daß er bereits [68] 1779 eine Anstellung als Ingenieur erhielt. Die Absicht, seine Laufbahn zu verändern und sich dem medicinischen Fache zu widmen, veranlaßte ihn 1781 nach Wien zu gehen; allein den Vorsatz schnell wieder aufgebend, kehrte er zur Mathematik zurück und übernahm eine Stelle bei der Sternwarte zu Wien, dann 1784 als Adjunct bei jener in Prag. Zeugen seiner Thätigkeit in diesem Berufe sind mehrere astronomische Arbeiten, die er damals durch den Druck veröffentlichte. Im J. 1787 fand er, ohne seine Adjunctenstelle aufzugeben, Beschäftigung bei der Grundsteuerregulirungs-Vermessung in Böhmen; 1788 als Hülfslehrer der höheren Mathematik an der Universität zu Prag, wo er 1789 zum ordentlichen Professor dieses Faches ernannt wurde. Eine neue Wendung seines Schicksals brachte ihn gegen Ende des J. 1795 als Beisitzer der Studienrevisionscommission nach Wien, und hier gelang es ihm, die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Beförderung der technischen Studien zu lenken. Er empfing 1801 den Auftrag, eine für diesen Zweck berechnete öffentliche Lehranstalt in Prag zu gründen, welcher aber erst ein Jahr später, als die Angelegenheit von den böhmischen Ständen in die Hand genommen wurde, eine Aussicht auf gedeihliche Zukunft sich eröffnete. Mit der Oberleitung der neuen Schöpfung (an welche die Sammlungen und einige Lehrkräfte einer bis dahin in Prag bestandenen Ingenieurschule übergingen) betraut, wußte G. alle Schwierigkeiten zu überwinden, so daß das „ständische böhmische technische Institut“ – der erste Vorläufer aller polytechnischen Schulen in Deutschland – im J. 1806 eröffnet werden konnte. G. übernahm an demselben die Lehrkanzel für Mechanik. Auch nach anderen Seiten dehnte sich nun seine Wirksamkeit aus: 1807 erhielt er die Leitung der Arbeiten einer hydrotechnischen Privatgesellschaft, welche sich mit dem Plane trug, eine schiffbare Kanalverbindung zwischen Moldau und Donau (also mittelbar zwischen Donau und Elbe) herzustellen. Gerstner’s Untersuchungen zeigten die Ausführung als so schwierig, daß der Gedanke fallen gelassen wurde; sein Vorschlag, statt des Kanals eine Eisenbahn zu bauen, blieb vorläufig ebenfalls ohne Erfolg, da er in der That der Zeit vorausgeeilt war: doch lag darin der Keim zu der zwei Jahrzehnte später erbauten Eisenbahn Budweis-Linz. 1808 wurde ihm der neu gestiftete österreichische Leopolds-Orden verliehen, und 1810 folgte seine Erhebung in den erblichen Adelstand. Unter Beibehaltung seiner bisherigen Dienststellung erhielt G. 1811 Auftrag, eine Wasserbaudirection für Böhmen zu organisiren, zu deren Vorstand er ernannt wurde. Das technische Institut wurde auf seinen Betrieb 1827 erweitert, nachdem er schon seit 1820 auf dieses Ziel hingearbeitet hatte. Das herannahende Alter und eine Krankheit gab ihm Anlaß, 1822 das Lehramt der Mathematik niederzulegen, worauf ihm 1823 der Titel eines kaiserl. königl. Gubernialraths beigelegt wurde; dann 1828 fand er sich bewogen, die Wasserbaudirection und 1831 auch das Lehramt der Mechanik abzugeben, während er jedoch die Oberleitung des technischen Instituts behielt. Im April 1832 endlich erfolgte seine ehrenvolle Quiescirung, welche der rastlos thätige Mann nur so kurze Zeit überleben sollte. Nicht nur durch die von ihm gegründete Lehranstalt und die anderen bereits erwähnten Zweige seiner Thätigkeit hat G. sich große Verdienste um Böhmen erworben; sein Rath in Angelegenheiten industrieller Unternehmungen war gesucht und einflußreich; ja man kann mit Recht sagen, daß beinahe ein halbes Jahrhundert hindurch wenig solche größere Unternehmungen auf böhmischem Boden ohne seine unmittelbare oder mittelbare Mitwirkung ins Leben getreten sind. – Außer Beiträgen zu verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften verfaßte G. folgende selbständige litterarische Arbeiten: „Einleitung in die statische Baukunst“, 1789. – „Theorie der Wellen“, 1804. – „Abhandlung über die oberschlächtigen Wasserräder“, 1813. – „Abhandlung über die Spirallinie der [69] Treibmaschinen (in Bergwerken)“, 1816. – „Bemerkungen über das hydrometrische Pendel“, 1819. – „Handbuch der Mechanik“, 4 Bde. (vollendet und herausgegeben von seinem Sohne), 1831–38.

Abhandl. der k. böhm. Gesellsch. d. Wissensch., Prag 1837; Jelinek, Das ständische polytechnische Institut zu Prag, Prag 1856, S. 191–198; Neuer Nekrolog der Deutschen, 10. Jahrg., 2. Thl., S. 501–503; Ersch und Gruber, Allgemeine Encyklopädie, I. Sect., 62. Thl., S. 96–97. (In den zwei zuletzt genannten Quellen werden irrthümlich ein paar Schriften seines Sohnes ihm zugeschrieben.)