ADB:Hermann von Reichenau

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Artikel „Hermann von Reichenau“ von Wilhelm Wattenbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 164–165, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hermann_von_Reichenau&oldid=- (Version vom 27. April 2024, 22:35 Uhr UTC)
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Hermann von Reichenau, genannt der Lahme (contractus), geb. 1013, † am 24. September 1054, ist eine der ansprechendsten und rührendsten Erscheinungen aus dem Kreise des mittelalterlichen Mönchsthums. Ein Sohn des schwäbischen Grafen Wolveradt[1] von Alshausen, wurde er 1020 im siebenten Lebensjahre der Schule in Reichenau am Bodensee übergeben und im 30. Jahre von dem ausgezeichneten Abt Berno (s. Bd. II. S. 467) als Benediktiner eingekleidet. Von Kindheit an war er gichtbrüchig, am Oberleibe verkrümmt, ohne den Gebrauch seiner Beine; er konnte ohne Hülfe seine Lage nicht verändern und kaum verständlich sprechen. Dennoch erwarb er sich nicht nur eine staunenswerthe [165] Gelehrsamkeit, sondern versammelte auch zahlreiche Schüler um sich, welche ihm mit größter Liebe zugethan waren. Wie seine Frömmigkeit, so wird auch seine milde Freundlichkeit und die Anmuth seiner Unterhaltung gerühmt. Gefeiert waren vorzüglich seine Kenntnisse in der Mathematik und Astronomie und es sind Werke von ihm darüber vorhanden; dem Charakter der Zeit entsprechend beschränken sie sich auf die Wiedergabe und Erläuterung älterer Ueberlieferung. Auch über Musik schrieb er und verfaßte selbst Sequenzen und Antiphonen; namentlich wird ihm ein Salve Regina zugeschrieben. Seine Gewandtheit im lateinischen Ausdruck, seine Geschicklichkeit in der Anwendung vielförmiger Versmaaße lernen wir aus dem längeren Gedicht „De octo vitiis principalibus“ kennen, welches, an Nonnen gerichtet, dieselben vor Versuchungen und Anfechtungen warnt und in schöner Weise Scherz und Anmuth mit sittlichem Ernst verbindet. Hermanns Bedeutung für die Gegenwart beruht auf seiner Chronik, welche die Weltgeschichte von Christi Geburt an in sorgfältiger Zusammenstellung aus zahlreichen Quellen vorführt, chronologisch geordnet, doch ohne den Versuch sachlicher Verknüpfung. Doch ist es fraglich, ob nicht einer jetzt verlorenen Vorlage, der sog. schwäbischen Weltchronik, das Hauptverdienst dabei zuzuschreiben ist. Unbestritten aber bleibt ihm der Schluß seiner Chronik, in welchem er weit über den Umfang der früheren Abschnitte hinausgehend, die Zeitgeschichte von 1040 bis 1054 in klarer und zuverlässiger Darstellung berichtet, als die wesentlichste Quelle unserer Kenntniß dieser Zeit. Sein Schüler Bertold (s. Bd. II. S. 549) fügte nach dem Tode seines geliebten Lehrers ein mit vieler Wärme geschriebenes Lebensbild desselben hinzu und setzte sein Werk fort.

Hansjakob, Hermann der Lahme, Mainz 1875. Wattenbach, Geschichtsqu., II. 36–40.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 164. Z. 6 v. u. l.: Wolverad (st. Wolveradt). [Bd. 12, S. 796]