ADB:Homann, Johann Baptist

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Artikel „Homann, Johann Baptist“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 35–38, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Homann,_Johann_Baptist&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 20:45 Uhr UTC)
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Homann: Johann Baptist H., Kartenstecher und Geograph, geb. den 20. März 1663 (4) zu Kamlach im ehemaligen Fürstenthum Mindelheim, † 1. Juli 1724 zu Nürnberg. – Er empfing seinen Schulunterricht, da er katholisch war, bei den Jesuiten in Mindelheim, bereitete sich danach vor, Mönch zu werden, „brachte noch etliche Jahre in Klöstern zu“, wandte sich aber darauf der evangelischen Kirche zu und begab sich nach Nürnberg (1687). Die Notarsstelle, welche er dort erlangte, befriedigte ihn auf die Dauer nicht; die Beweglichkeit seines Geistes und eine gewisse künstlerische mit autodidaktischer Betriebsamkeit verbundene Anlage, wiesen ihn auf ein Gebiet der Thätigkeit hin, welches in dem reichen, kunstliebenden und weiten Weltverkehr pflegenden Nürnberg schon fleißig wenn auch ohne besonderen Ruhm angebaut worden war, auf die Kartographie. Er begann in Kupfer zu stechen und erlangte, obgleich nur wenig zu seinem Unterricht vorher geschehen war, sehr bald eine solche Geschicklichkeit im Stechen von Namen und geographischen Bestimmungen, daß er von Jakob [36] v. Sandrart und David Funck, den damals bedeutendsten Nürnberger Kartenstechern und Verlegern Aufträge und Beschäftigung erhielt. Die Zeit, wann dies zuerst geschehen sei, läßt sich ebensowenig bestimmen, wie, welche Karten, die in jenen Verlagen erschienen, wir seiner Hand verdanken. Es scheint, daß er schon vor seiner ersten Abwesenheit von Nürnberg sich diesem neuen Erwerbszweige zugewendet habe. Denn 1693 hatte er heimlich Nürnberg und seine Familie (er hatte sich 1690 mit der Tochter des Sudenpredigers Ströbel, Susanna Felicitas, verheirathet und einen Sohn aus dieser Ehe) verlassen, war nach Wien in ein Dominikanerkloster gegangen und durch eine besondere von dort aus erlassene Erklärung sowol aus der evangelischen Kirche wie aus dem Nürnberger Bürgerverbande ausgeschieden. Die Gründe, welche ihn zu diesem, wie es sich bald herausstellte, übereilten Schritte veranlaßten, mögen zum Theil in religiösen Bedenken, zum Theil auch in seiner precären materiellen Lage gelegen haben; jedenfalls erkannte er sehr bald, daß er einen Fehler gemacht habe. Er ging nach Erlangen 1695 und bat von dort aus um Wiederaufnahme in das Nürnberger Stadtgebiet und in die evangelische Gemeinde. Der Rath verzieh ihm und gestattete die Rückkehr. So wieder mit seiner Familie vereinigt, scheint er auch die Ruhe in seinen äußeren Verhältnissen gefunden zu haben, deren er bedurfte, um seine kartographische Thätigkeit mit Erfolg wieder aufzunehmen. Durch seine Leistungen empfohlen, wurde er bald nach Leipzig berufen, um dort den Stich der Karten zu Christophorus Cellarius’ Notitia orbis antiqui zu besorgen, von der der erste Band 1701, der zweite 1706 in Leipzig erschien. Gleichzeitig mit oder kurz nach dieser Arbeit wurde ihm die Anfertigung der Karten zu des Jesuitenpaters Heinrich Scherer „Atlas novus, hoc est Geographia universa in septem partes contracta“, Augsburg 1710, übertragen. Man muß gestehen, daß die Behandlung dieser Karten schon eine große technische Geschicklichkeit und Sicherheit und eine gewisse Freiheit in der Auffassung des Kartenbildes bekundet. Sie sind in vielen Stücken sorgfältiger und sauberer gearbeitet als manche der Karten, die H. später entwarf. – Alle jene Arbeiten, welche in der zeitlichen Aufeinanderfolge ihrer einzelnen Stücke sich nicht mehr genau bestimmen lassen, hatten ihrem Verfertiger zwar einen rühmlichen Namen verliehen, aber gLeichzeitig auch seinen Nürnberger Arbeitgebern entfremdet. Seine Leistungen waren indeß den interessirten Kreisen zu bekannt, als daß er es nicht hätte wagen sollen, die eine oder die andere Arbeit unter seinem eigenen Namen erscheinen zu lassen. Die Zeitumstände waren günstig. Der spanische Erbfolgekrieg erregte in den weitesten Kreisen den Wunsch nach genauen kartographischen Darstellungen des großen Kriegsschauplatzes. Daher begann H. hier mit seiner neuen selbständigen Unternehmung. Er veröffentlichte u. d. T.: „Belli typus in Italia victricis aquilae progressus in statu Mediolanensi et ducatu Mantuae demonstrans tabula recens emendata et aucta per Jo. Bapt. Homannum A. 1702“ die Karte des Kriegsschauplatzes in Italien und war so glücklich, mit den siegreich fortschreitenden Waffen des Kaisers auch seine neue Unternehmung vom Erfolge gekrönt zu sehen. Gestützt hierauf ging er neben den ihm gleichzeitig übertragenen, schon erwähnten Arbeiten, an den Entwurf anderer Karten. Sein Fleiß, sein Geschick in der Benutzung der Umstände und der Mithilfe gelehrter Freunde, endlich nicht zum wenigsten sein kaufmännisches Talent, mit dem er es verstand, ungeheure Massen seiner Erzeugnisse sowol durch den Buchhandel als besonders durch die wandernden Bilderhändler und Colporteure unter die Leute zu bringen, sicherten bald der jungen Officin Bestand und Ansehen. Indessen wiesen ihn sein wissenschaftliches Streben wie sein fachmännischer Scharfblick sehr bald auf die Ausführung eines Unternehmens hin, dessen Vollendung ihm sofort einen Platz vor allen seinen Concurrenten in [37] Deutschland sichern mußte: auf die Herstellung einer die gesammte Kenntniß der Erdoberfläche umfassenden Darstellung in Form eines Atlas. Im Verlauf von noch nicht 14 Jahren stach die fleißige Hand des rüstigen Nürnberger Kartographen neben den von fremden Firmen erforderten Karten über 100 Karten, welche 1716 vereinigt unter dem Titel: „Großer Atlas über die ganze Welt in Verlegung des Auctoris gedruckt bei Joh. Ernst Adelburner“ in groß Folio erschienen. Bis zu seinem Tode vermehrte er die Zahl der Karten, welche als Supplemente des großen Atlas erschienen, bis auf über 200, fügte dazu 1719 den „Atlas Methodicus explorandis juvenum profectibus in studio geographico ad methodum Hubnerianum accommodatus“, in gewissem Sinne ein Repetitions-Atlas, der auf den einzelnen Karten nur die Anfangsbuchstaben der geographischen Bestimmungen enthielt und beendete seine erfolgreiche Thätigkeit durch die Anfertigung des Astronomischen Atlas, den er unter der Anleitung des Nürnberger Professors der Mathematik, J. G. Doppelmayr, entwarf, dessen Vollendung er aber, obgleich er den größten Theil der darin enthaltenen Tabellen selbst fertig gestellt hatte, nicht mehr erlebte. Er erschien erst 1741. Dazu kommen noch zahlreiche Globen, meistens 2½ Zoll im Durchmesser und die sogenannten „Sphaerae armillares“, endlich auch eine geographische Universaluhr, auf deren Erfindung sich H. ganz besonders viel zu Gute gethan zu haben scheint. – Einer angestrengten und keineswegs fruchtlosen Thätigkeit fehlte auch die äußere Anerkennung nicht. Nürnberg und sein Rath haben den Gründer der berühmten Officin immer in Ehren gehalten. Die Societät der Wissenschaften in Berlin nahm ihn 1715 unter ihre Mitglieder auf; Kaiser Karl VI., dem er seinen Großen Atlas dedicirte, ernannte ihn in demselben Jahre zum kaiserlichen Geographen und begnadigte ihn mit einer goldenen Kette und Medaille; Peter der Große endlich verlieh ihm den Titel eines kaiserlich russischen Agenten und zeichnete ihn ebenfalls durch Verleihung einer goldenen Kette und zweier Medaillen aus. – Es ist Homann’s Verdienst gewesen, die deutsche Kartographie zu einer für seine Zeit und ihre Verhältnisse außerordentlichen Höhe allerdings mehr in technischer als in wissenschaftlicher Beziehung erhoben zu haben (nos graveurs français n’ont point encore atteint la délicatesse où le sieur Homann a porté la gravure. Lenglet du Fresnoy, méthode pour étudier l’histoire. Paris 1735. tom. VI. p. 74), ein Verdienst, welches um so höher anzuschlagen ist, als ihm im Beginn seiner Thätigkeit weder besondere materielle Mittel noch ausreichende Kenntnisse zur Verfügung standen. Die ernste und unablässige Beschäftigung selbst mit dem ihn allseitig interessirenden Gegenstande hat ihn zu dem gemacht, was er geworden; eine nicht gewöhnliche Erfindungsgabe und das Geschick, sich in einen ihm anfänglich fremden Beruf hineinzuarbeiten und dessen einzelne Zweige bald mit Meisterschaft zu beherrschen, haben ihn dabei unterstützt; Gelehrte, wie J. G. Doppelmayr, Chr. Junker, Casp. Gottschling, J. G. Gregori (Melissantes), haben ihm ihre Hilfe gewährt. Aber bei aller Anerkennung für seine Leistungen bleibt sein Verdienst im Wesentlichen doch auf das Technische der Kartographie beschränkt. Geograph im modernen Sinne war er trotz aller kaiserlichen Diplome nicht. Die meisten seiner Karten sind Copien von Joh. Blaeuw, Valvasor, Nolie, d’Anville, de l’Isle, de Fer, G. M. Vischer u. A.; wenige beruhen auf Original-Aufnahmen, die H. veranlaßte oder erwarb, wie z. B. Phil. Henr. Zollmann’s Hydrographia Germaniae, Joh. Pet. Nell’s Neu-vermehrte Post-Charte durch gantz Deutschland, 1709 und wiederholt 1714, Joh. Christoph Müller’s Tabula generalis Marchionatus Moraviae, Joh. Majer’s Ducatus Würtembergici – delineatio 1710, Joh. Christoph Lauterbach’s Nova et accurata territorii Ulmensis – descriptio. Ein dazu gehöriger Carton, enthaltend die Ulmische Herrschaft zu Wain, ist „nach dem gr. Original des [38] Seel. Herrn Pfarrers zu Altheim, M. Johan Wolfgang Bachmayr’s abgezeichnet“, A. R. P. O. de G. O. S. B. S. in Michaël-Beyrn, Principatus etc. Salisburgensis (Pater Odilo de Guerathor, ordinis S. Benedicti etc.). Immerhin bleibt ihm aber das Verdienst, daß er in Deutschland die geographischen Bestrebungen seines Jahrhunderts mit seinem Namen innig verknüpfte, und durch die Mittel, welche er denselben lieh, für eine wissenschaftliche Entwickelung der Geographie die Wege bahnte. Sein Werk verfiel nicht mit seinem Tode. Die Karten aus Homann’s Verlage waren gewissermaßen ein Bedürfniß für die Gebildeten in Deutschland geworden und der Gründer des Unternehmens hatte dies Bedürfniß durch kluges und geschicktes Eingehen auf die dynastischen Wünsche aller, auch der kleinsten, damaligen Duodez-Herren und reichsstädtischen Raths-Collegien stetig zu steigern gewußt. Sein Sohn und Nachfolger Joh. Christoph H. (geb. am 22. August 1703) brauchte auf dem eingeschlagenen Wege nur fortzugehen, um des Erfolges sicher zu sein. Nach dessen Tode 1730 setzten Joh. Mich. Franz und J. G. Ebersberger das Geschäft fort, verließen aber die bisherige Gewohnheit massenhaften Copirens und gaben ihren Bestrebungen durch Herbeiziehung namhafter Gelehrten, wie des Professor J. M. Haase in Wittenberg und durch die Begründung der mit der Homann’schen Officin verbundenen kosmographischen Gesellschaft eine wissenschaftliche Stütze. Traf auch vieles, was im Anschluß hieran von den beiden bedeutendsten Mitgliedern dieser Gesellschaft, den nachmaligen Göttiinger Professoren Tobias Maier und Georg Mor. Lowitz, in wahrhaft naiver Unternehmungslust geplant wurde (vgl. Homannische Vorschläge von den nöthigen Verbesserungen der Weltbeschreibungs-Wissenschaft und einer diesfalls bei der Homann’schen Handlung zu errichtenden Akademie, Nürnberg 1747), nicht ein, wie die kosmographische Akademie, das Landvermessungs-Comtoir, die Herausgabe drei Fuß im Durchmesser haltender Erd- und Himmelsgloben, so wurde doch die Wirksamkeit der Officin „der Homännischen Erben“ dadurch wenig berührt. Ihr alter Ruf, die Gunst des Publikums und ihre immer sorgfältigeren und geschmackvolleren Leistungen unter der Beihülfe Güssefeld’s, Mannert’s u. A. gewährten ihr eine bis in den Anfang unseres Jahrhunderts reichende Dauer. – Ein Porträt Joh. B. Homann’s findet sich in A. C. Caspari und F. J. Bertuch’s Allgemeinen Geogr. Ephemeriden, Bd. VIII, Weimar 1801. Es ist nach dem größeren Gemälde Kenckel’s gestochen.

Außer den in J. G. Doppelmayr, Histor. Nachrichten von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, Nürnberg 1700, S. 142 und den in Will’s Nürnbergischem Gelehrten-Lexikon, Bd. II. S. 198, und in der Fortsetzung desselben von Nopitsch, Bd. II. S. 131 gegebenen Nachweisungen vgl. J. M. Franzen’s Kurtze Nachricht von dem Homännischen Großen Landkarten-Atlas etc., Nürnberg 1741; Notitia omnium mapparum geographicarum et astronomicarum, quae in officina Homannianorum haeredum Norimbergae exaratae sunt etc., Breslau 1736. – Oscar Peschel, Geschichte der Erdkunde, 1865, S. 596 – W. H. Riehl, Culturstudien aus drei Jahrhunderten, Stuttgart 1862, S. 3 ff. – Das Ausland, Jahrg. 1878 Nr. 29, 1879 Nr. 19. – Allg. Deutsche Biographie Bd. X. S. 743, Art. Hasius von Ratzel.