ADB:Hyperius, Andreas

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Artikel „Hyperius, Andreas“ von Heinrich Heppe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 490–492, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hyperius,_Andreas&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 10:00 Uhr UTC)
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Hyperius: Andreas Gerhard H., ein seiner Bedeutung nach den Reformatoren sich unmittelbar anschließender reformirter Theolog, 1511 am 16. Mai zu Ypern (nach welcher Stadt er sich nannte) als Sohn eines Sachwalters geboren, hatte sich, nachdem er auf der humanistischen Schule zu Lille die Reife für die akademischen Studien gewonnen, durch die Ungunst seiner Verhältnisse in seinem 16. Lebensjahre genöthigt gesehen, sich zur Arbeit in der Schreiberstube seines Vaters zu bequemen. Dieser aber erkannte die eminente Begabung des Sohnes und machte es, als er sich 1525 dem Tode nahe fühlte, der Mutter zur Pflicht, sobald ruhigere Zeiten eintreten würden, den Sohn die Universität Paris beziehen zu lassen. Demgemäß begab sich H., sobald der Friede von [491] Cambray geschlossen war, im Sommer 1528 frohen Herzens nach Paris, wo er sich frühzeitig an den Humanisten Joachim Ringelberg auf das Engste anschloß und sich ganz in das Studium der griechisch-römischen Litteratur und der Philosophie vertiefte. Nach Absolvirung eines dreijährigen Studiums kehrte er, zum Magister promovirt, in die Heimath zurück, war aber 1532 schon wieder in Paris, um jetzt dem Studium der Theologie obzuliegen. Er machte sich nun mit den Kirchenvätern und mit den Scholastikern vertraut, konnte aber den Vorlesungen, die er hörte, keinen Geschmack abgewinnen. Von großer Bedeutung sollte dagegen für ihn sein Verkehr mit dem Straßburger Joh. Sturm werden, der damals in Paris docirte und ihm von der großen reformatorischen Bewegung in Deutschland und der Schweiz erzählte. Schon damals trieb es ihn seinen Gesichtskreis durch ausgedehnte Reisen in Frankreich und Oberitalien zu erweitern. Nach Beendigung seines theologischen Trienniums durchwanderte er dann die Niederlande und das nördliche Deutschland, und was er hier sah, das packte ihn so sehr, daß er sich 1537 abermals aufmachte, um namentlich Kursachsen und Hessen zu bereisen. Innerlich reich befruchtet kehrte er in die Heimath zurück, um nun irgendwo eine Stellung zu finden, von der aus er als Lehrer der Theologie an der reformatorischen Bewegung der Zeit theilnehmen könnte. Doch gelang ihm dieses weder in der Heimath noch in England (wohin er sich begeben hatte), weshalb er jetzt seinen Blick nach Straßburg richtete, wo er durch Sturm’s Vermittlung eine Professur zu erlangen hoffte. Doch hatte ihn Gott für ein anderes Arbeitsfeld ausersehen. Auf der Reise nach Straßburg kam er nach Marburg, wo damals der greise Landsmann des H., der Professor der Theologie, Gerhard Geldenhauer (nach seiner Vaterstadt Nymwegen Noviomagus genannt), eben sein Amt niederlegen wollte. Geldenhauer überzeugte sich alsbald, daß H. eine eminente Acquisition für die junge evangelische Hochschule sein würde, wenn es gelänge die Berufung desselben nach Marburg zu erwirken. Durch Vermittlung des Kanzlers Feige, der damals nach Marburg kam, gelang dieses leicht, und vom J. 1541 an bis zu seinem Tode am 1. Februar 1564 gehörte daher seine Wirksamkeit ganz der hessischen Hochschule an, wohin aus allen Landen Deutschlands und des Auslandes junge Männer in großer Zahl pilgerten, um sich dem bald weltberühmt gewordenen H. zu Füßen zu setzen. Er las (lateinisch) über verschiedene Fächer der historischen, systematischen und praktischen Theologie. Für die Homiletik der evangelischen Kirche hat er mit seiner Schrift „De formandis concionibus sacris“ von 1553 zuerst Bahn gebrochen. An dieselbe schloß sich später die Schrift „De S. Scripturae lectione ac meditatione quotidiana“ von 1561. Er wollte, daß die Bibel in jedem Hause heimisch sei und daß jeder Hausvater sich mit den Seinen täglich aus derselben erbaue. Er war eben ein durchaus unabhängiger, biblischer Theolog, der seinen felsenfesten Standpunkt auf dem geschriebenen Gottesworte mit den reichen Mitteln seiner humanistischen und theologischen Bildung nach allen Seiten hin zu behaupten wußte. H. docirte die Dogmatik nach Melanchthon’s Loc. theol. Sein mit vielen Randbemerkungen beschriebenes Handexemplar wird noch auf der Marburger Bibliothek aufbewahrt. Allein seine eigene Dogmatik, wie sie in den (leider unvollendet gebliehenen) „Methodi theologiae libri tres“ (Basel 1566) vorliegt, war doch von Melanchthon unabhängig. Er gibt ein eigentliches System der Glaubenslehre (was bei Melanchthon fehlt) und bekennt sich zwar zur Augsburger Confession, hält aber dabei Calvin’s Prädestinationslehre als Centraldogma fest. – Speziell für die hessische Kirche ist die Wirksamkeit des H. in zwiefacher Beziehung von besonderer Bedeutung geworden, indem er 1) der eigentliche Verfasser der großen hessischen Kirchenordnung von 1566 war (deren Entwurf darum lateinisch concipirt ist) und indem er 2) die hessische Geistlichkeit, von welcher die Concordienformel [492] in den J. 1576–80 dreimal zurückgewiesen ward, herangebildet und erzogen hat. – Das Leben und die Wirksamkeit des H. ist bis jetzt noch niemals quellenmäßig bearbeitet worden. Eine Uebersicht über beides hat der Professor der Theologie, Mangold (jetzt zu Bonn), in der Deutschen Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christliches Leben (1854, Nr. 30–32) geliefert. Möchte H. endlich seinen wirklichen Biographen finden!