ADB:Jacobi, Moritz Hermann von

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Artikel „Jacobi, Moritz Hermann von“ von Eugen Lommel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 597–599, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jacobi,_Moritz_Hermann_von&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 10:38 Uhr UTC)
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Jacobi: Moritz Hermann von J., bedeutender Physiker, wurde am 21. Septbr. 1801 in Potsdam geboren. Nachdem er seine Studien in Göttingen vollendet, widmete er sich dem Wunsche seiner Eltern entsprechend dem Baufach, und ließ sich als Baumeister zunächst in Königsberg nieder, wo sein um drei Jahre jüngerer Bruder Karl Gustav Jakob J., der berühmte Mathematiker, seit 1827 als Universitätslehrer wirkte. Im J. 1835 folgte er einem Rufe als Professor der Civilbaukunst nach Dorpat. Schon während seines Aufenthaltes in Göttingen hatte er sich eifrig mit dem Studium der galvanischen Erscheinungen beschäftigt und den praktischen Anwendungen des elektrischen Stroms [598] besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Diese praktisch-physikalischen Forschungen, aus welchen seine erste, in Potsdam 1835 erschienene, wissenschaftliche Schrift „Mémoire sur l’application de l’électromagnétisme au mouvement des machines“ hervorging, setzte J. neben seiner Thätigkeit als akademischer Lehrer und ausführender Baumeister mit großem Eifer auch in Dorpat fort. Infolge seiner Arbeiten auf diesem Gebiete wurde er 1837 nach St. Petersburg berufen, und daselbst 1839 zum Adjunct, 1842 zum außerordentlichen und 1847 zum ordentlichen Mitglied der kaiserl. Akademie ernannt. Die reichen Mittel, welche ihm in dieser Stellung, namentlich durch die Freigebigkeit des Kaisers Nicolaus, der sich für Jacobi’s Arbeiten persönlich interessirte, zu Gebote standen, erlaubten ihm, seine erfinderische Begabung, welche mit hoher theoretischer Befähigung Hand in Hand ging, in fruchtbarster Weise zu entfalten. Seine eingehende Beschäftigung mit der von dem Engländer Daniell erfundenen konstanten galvanischen Batterie und die dabei gemachte Bemerkung, daß der auf die Kupferplatte jeder Zelle sich niederschlagende Kupferüberzug ablösbar ist und die zufälligen Unebenheiten der Platte getreulich nachahmt, führten ihn 1838 zur Erfindung der Galvanoplastik, welche, rasch zu einem wichtigen Zweige der elektrischen Technik entwickelt, seinen Ruf in die weitesten Kreise trug. Die werthvollen Forschungen über die Gesetze der Elektromagnete, welche J. in den Jahren 1837–1839 in Gemeinschaft mit Lenz ausführte, veranlaßten ihn, seine früheren Versuche über die Anwendung des Elektromagnetismus als Triebkraft wieder aufzunehmen; er baute eine größere elektromagnetische Maschine von ungefähr 1 Pferdekraft, mittelst welcher er im J. 1839 ein mit 14 Personen bemanntes Boot auf der Newa gegen die Strömung in Bewegung setzte. Nachdem er jedoch durch seine theoretischen Studien über die elektromagnetischen Maschinen, die er auszüglich bereits im J. 1840, ausführlicher 1851 in einer besonderen Abhandlung („Sur la théorie des machines électro-magnétiques“, Bull. phys. math. acad. St. Petersb. IX) veröffentlichte, zu der Ueberzeugung gekommen war, daß die elektromagnetischen Motoren wegen der Kostspieligkeit ihres Betriebes niemals mit den Dampfmaschinen, welche dieselbe Arbeit 12mal billiger leisten, würden rivalisiren können, gab er alle weiteren Versuche in dieser Richtung auf. Im Anfang der vierziger Jahre legte er im Auftrage des Kaisers Nicolaus eine unterirdische Telegraphenleitung an zwischen dem Winterpalast in St. Petersburg und der Sommerresidenz Zarskoje Selo, welche er mit sehr sinnreichen von ihm construirten Telegraphenapparaten ausstattete. Bei diesen praktischen Arbeiten sowol als bei seinen rein wissenschaftlichen Studien machte sich ihm der Mangel an allgemein gebrauchten und verständlichen Maßeinheiten für den galvanischen Leitungswiderstand und die Stromstärke in empfindlicher Weise fühlbar. Um ein gemeinsames Maß des Leitungswiderstandes zu gewinnen, ließ er einen wohlverpackten Kupferdraht „Widerstands-Etalon“ bei allen Physikern Europa’s circuliren, mit der Bitte, sich danach Copien von gleichem Widerstande herzustellen. Wenn auch diese Jacobi’sche Widerstandseinheit heutzutage durch die Siemens’sche verdrängt ist, so gebührt J. doch das Verdienst, die Einführung gemeinsamer Maße in der Lehre vom Galvanismus bewirkt zu haben. Ein einheitliches Maß für die Stromstärke gründete er auf die elektrolytische Zersetzung des Kupfervitriols und des salpetersauren Silbers, nachdem er die bedeutenden Fehlerquellen des gewöhnlichen Voltmeters mit Wasserzersetzung nachgewiesen hatte. Um die Vervollkommnung galvanischer Messungen machte er sich ferner verdient durch Construction genauer Stromregulatoren (Rheostaten) mit flüssigen und festen Leitern. Seine Erfindungsgabe beschränkte sich übrigens nicht ausschließlich auf das Gebiet der Elektricität; auch in anderen Zweigen der angewandten Physik bethätigte sich sein auf praktische Anwendungen gerichteter Geist. So erfand er z. B. einen [599] sehr sinnreichen Apparat zur Trennung und Messung von Flüssigkeiten verschiedenen specifischen Gewichte zum Zwecke der Steuercontrole für Branntweinbrennereien, und beschäftigte sich viel mit der Herstellung übereinstimmender Aräometer. An den Berathungen des internationalen Comités, welches bei Gelegenheit der Weltausstellung in Paris im Jahre 1867 über die Mittel zur Erzielung einer Einheit der Maaße und Gewichte zu berathen hatte, nahm er als Delegirter Rußlands thätigen Antheil. Diesem seinem zweiten Heimathlande hat er überhaupt in allen Fragen der angewandten Physik, namentlich in seiner langjährigen Stellung als Mitglied des Manufakturrathes beim Finanzministerium, die wichtigsten Dienste geleistet. Er starb zu St. Petersburg am 10. März 1875.

Rede zum Gedächtniß an M. H. von Jacobi. Von H. Wild. Bulletin de l’Académie impériale des sciences de St. Pétersbourg. T. XXI. p. 261.