ADB:Rabenhorst, Ludwig

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Artikel „Rabenhorst, Ludwig“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 89–92, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rabenhorst,_Ludwig&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 08:12 Uhr UTC)
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Rabenhorst: Gottlob Ludwig R., Botaniker, geb. zu Treuenbrietzen in d. Provinz Brandenburg am 22. März 1806, † zu Meißen im Königreich Sachsen am 24. April 1881, erhielt seine Jugendbildung durch Privatunterricht. Die schon dem Knaben innewohnende Lust zur Beschäftigung mit der Pflanzenwelt bestimmte R., Pharmaceut zu werden. 1822 trat er als Lehrling in die Apotheke seines Schwagers Leidoldt in Belzig ein, erhielt 1830, nachdem er die übliche Conditionszeit, sowie seine Universitätsstudien in Berlin absolvirt hatte, seine Approbation als Apotheker erster Classe und übernahm ein Jahr darauf käuflich die Apotheke zu Luckau in der Niederlausitz. Während dieser Zeit trieb R. in seinen Mußestunden eifrig botanische Studien, welche sich namentlich auf die floristische Erforschung seines Wohngebietes bezogen und schon damals vorwiegend die Kryptogamen zum Gegenstand hatten. Die werthvollste Frucht dieser Thätigkeit war die 1839–40 erschienene zweibändige „Flora lusatica“. Um jedoch seine Arbeitskraft ausschließlich der Botanik widmen zu können, verkaufte R. seine Apotheke und siedelte 1840 nach Dresden über, woselbst er unter Entfaltung einer ungemein fruchtbaren litterarischen Thätigkeit bis 1875 verblieb. In diesem Jahre bezog er seine bei Meißen gelegene Besitzung Villa Luisa, in der Hoffnung, durch ländlichen Aufenthalt seine bereits ins Wanken gerathenen körperlichen Kräfte zu heben. Diese Hoffnung täuschte ihn jedoch. Sein Leiden, ein Herzübel mit seinen Folgen, verschlimmerte sich stetig, bis es den rastlosen Mann im 76. Jahre seines Lebens dahinraffte.

Rabenhorst’s Bedeutung für die Botanik liegt in dem Ausbau und der Förderung der systematischen Kryptogamenkunde. Vorläufer zu seiner ersten größeren Publication, der oben angegebenen Flora lusatica, bilden einige im neunten und zehnten Bande der Zeitschrift Linnaea veröffentlichte Aufsätze, Nachträge gab er 1846 in dem in diesem Jahre von ihm herausgegebenen botanischen Centralblatt. Die Flora selbst, welche in ihrem ersten Bande die Phanerogamen, im zweiten die Kryptogamen behandelt, füllte zur Zeit ihres Erscheinens eine bemerkenswerthe Lücke aus und darf, wenigstens soweit sie die damals botanisch [90] noch wenig bekannte Niederlausitz betrifft, als grundlegende Arbeit gelten. Unter den nach Rabenhorst’s Uebersiedlung nach Dresden veröffentlichten Arbeiten ist als die erste umfangreichere ein für die Zwecke des Unterrichts bestimmtes Buch zu nennen, das 1843 erschien unter dem Titel: „Populär-praktische Botanik“, und welches in seinen 3 Abtheilungen den Anfänger zunächst mit den allgemeinen botanischen Vorkenntnissen über den äußeren und inneren Bau der Pflanze vertraut zu machen sucht, um ihm dann durch eine Anzahl von ohne bestimmte Ordnung ausgewählten Pflanzenbeschreibungen Musterbilder für dergleichen Arbeiten zu liefern und schließlich durch eine Darstellung des Linné'schen und Reichenbach’schen Systems in die Systematik einzuführen. Weitere Verbreitung hat das Buch nicht gefunden. Es ist in der That, namentlich in den anatomischen Darlegungen, nicht frei von Irrthümern, und beweist, was auch noch in einigen Artikeln in botanischen Zeitschriften hervortritt, daß des Verfassers Begabung weniger nach der Seite selbstständiger Untersuchungen hinneigte. So blieb denn auch das reiche Pflanzenmaterial, welches R. auf einer vom Februar bis zum Herbste 1847 ausgeführten Reise nach Italien sammelte, wobei er trotz einer infolge der politischen Unruhen unfreiwilligen Verkürzung seiner Tour, bis tief in die Abbruzzen kam, ganz unverwerthet und selbst der in der Zeitschrift Flora von 1849 und 50 theilweise veröffentlichte, interessant geschriebene, vorläufige Bericht über die Reise und ihre Ergebnisse blieb unvollendet. Es war ein Glück für die Wissenschaft, daß R., in richtiger Erkenntniß seiner Naturanlage, die Grenzen seiner Thätigkeit enger steckte und sein eigentliches Arbeitsfeld im Compiliren und Sammeln fand. Seine Befähigung dafür lag auf litterarischem Gebiete theils darin, daß er es verstand, mit Leichtigkeit einen vollständigen Ueberblick über das zu bearbeitende Material sich zu verschaffen, theils darin, daß er die Energie besaß, ein einmal ins Auge gefaßtes Ziel auch zu erreichen, unbeirrt durch Bedenken, die etwaige unklare Punkte hätten hervorrufen können und die vielleicht so zu sagen subtilere Forscher von ihren Wegen abgelenkt haben würden. So vermochte denn seine rastlose Thätigkeit während der 35 Jahre seines Dresdner Aufenthaltes eine Fülle von Arbeiten zu schaffen, welche für das Studium der Systematik der Kryptogamen unentbehrlich geworden sind. Dahin gehört zunächst ein zweibändiges Werk: „Deutschlands Kryptogamenflota, oder Handbuch zur Bestimmung der kryptogamischen Gewächse Deutschlands, des Lombardisch-Venetianischen Königreiches und Istriens“, dessen erster Band, 1844 erschienen, die Pilze, dessen zweiter in seiner ersten Abtheilung vom Jahre 1845 die Flechten und in der zweiten Abtheilung 1847 die Algen behandelt. Es fehlte in Deutschland seiner Zeit an einer zusammenfassenden Darstellung der einheimischen Kryptogamenflora. Das Rabenhorst’sche Buch, überhaupt das erste deutsch geschriebene Werk über diesen Gegenstand, füllte somit eine wesentliche Lücke aus und gab, unter Benutzung der vorhandenen Litteratur, eine im Allgemeinen gute und erschöpfende Zusammenstellung der zur Zeit bekannten Pflanzenformen aus den behandelten Abtheilungen des Gewächsreiches, wenngleich in der Disposition des Ganzen, sowie auch in gewissen Einzelheiten der Beschreibung, Synonymik und der Angabe der Fundörter noch manche Mängel hervortraten, die indessen wol mit der damals überhaupt noch unfertigen Kenntniß der besprochenen Pflanzenformen entschuldigt werden können. Auch die 1859 veröffentlichte „Flora des Königreichs Sachsen“, welche die Phanerogamen und kryptogamen Gefäßpflanzen umfaßte, blieb wegen mannigfacher Ungenauigkeiten, wozu auch noch viele Druckfehler kamen, von der Kritik nicht unbemängelt. Nur ungern hatte sich R. zur Herausgabe des Buches entschlossen, gedrängt durch die Thatsache, daß die bis dahin erschienenen Floren von Sachsen vergriffen waren und namentlich ein für den Schulgebrauch geeignetes Werk dieser Art [91] ganz fehlte. Für letzteren Zweck war denn auch die Einrichtung des Buches in erster Linie getroffen. Weit besser war das als Ergänzung zu jener Flora dienende, aber unter höheren Gesichtspunkten durchaus wissenschaftlich verfaßte Werk: „Kryptogamenflora von Sachsen, der Oberlausitz, Thüringen und Nordböhmen, mit Berücksichtigung der benachbarten Länder“, dessen erste Abtheilung: die Algen, Laub- und Lebermose, 1863 herauskam, während die zweite Abtheilung mit den Flechten 1870 erschien. Hier offenbarte sich nicht nur das gereiftere Urtheil des Verfassers, auch das Material war weit besser vorbereitet. Durch fortgesetztes Studium auf dem Gebiete der Kryptogamenkunde, durch die Herausgabe zahlreicher Sammlungen kryptogamer Gewächse, sowie durch eine infolge dieser Arbeiten mit der Zeit mächtig ausgedehnte Correspondenz mit den bedeutendsten Botanikern, hatte sich R. zu einer Autorität seines Specialfaches herangebildet. Was dem Buche einen besonderen Werth verleiht, sind die zahlreichen, dem Texte beigefügten, sauber und fast durchgängig naturgetreu ausgeführten Holzschnitte, so daß es dem Anfänger einen empfehlenswerthen Führer, wie dem geübten Kryptogamenforscher ein nützliches Handbuch bildet. Unter den speciellen Studien Rabenhorst’s haben diejenigen über die Algen und Pilze stets einen hervorragenden Platz eingenommen. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen kleineren Abhandlungen, welche in den Bänden der „Botan. Zeitung“, der „Flora“, der „Allg. Deutschen Naturhistor. Zeitung“, der „Hedwigia“ und „Isis“ aus den Jahren 1840–70 zerstreut sind, auch größere Specialarbeiten behandeln mit gutem Erfolge jene Pflanzengruppen. In dieser Beziehung sind vor allem zwei zu nennen: Zuerst eine 1853 publicirte Abhandlung: „Die Süßwasser-Diatomaceen (Bacillarien), für Freunde der Mikroskopie bearbeitet“. In dieser hat es der Verfasser unternommen, auf Grund eines aus den verschiedensten Gegenden gesammelten Materials, die sämmtlichen hierhergehörigen Süßwasserformen monographisch zu bearbeiten, wobei er zu Resultaten gelangte, die von denen seiner Vorgänger mannigfach abweichen. Dem systematischen Theil vorausgeschickt ist eine Charakteristik der Diatomaceen und ihrer Kieselpanzer, ihrer Fortpflanzung und ihrer Bewegung, woran sich eine Darstellung ihres Vorkommens und der besten Methoden, sie zu sammeln und zu präpariren, anschließt. Der speciellen Beschreibung voran geht eine vollständige Uebersicht der Familien und Gattungen und folgt auf zehn lithographirten Tafeln eine naturgetreue Darstellung sämmtlicher Formen, unter denen eine große Anzahl neuer Arten sich befindet. Das zweite der erwähnten Specialwerke ist die umfangreiche „Flora europaea Algarum aquae dulcis et submarinae“, 1864–68, ein von der Pariser Akademie 1870 mit dem Desmazière’schen Preise für die beste Leistung auf dem Gebiete der Kryptogamenkunde gekröntes Werk und unstreitig Rabenhorst’s bedeutendste Arbeit. Es enthält das Werk sämmtliche Algen Europa’s in systematischer Anordnung. Den Charakteristiken der größeren Abtheilungen, der Ordnungen und Familien folgen genaue Diagnosen der Gattungen und Arten, unter Angabe der Fundörter, Varietäten, Synonyme und Citate. Jede Gattung ist überdies noch durch einen oder mehrere Holzschnitte, um den Gattungstypus ersichtlich zu machen, illustrirt. Die außereuropäischen Formen sind nach jeder Gattung mit Namen, Fundort und Citaten zusammengestellt. Eine verdienstliche Arbeit, welche viel Mühe und Umsicht erfordert, zumal es um zum großen Theile noch unzulänglich erforschte Pflanzenformen sich handelt, sichert sie allein schon Rabenhorst’s Namen eine bedeutende Stelle unter den deutschen Algologen. An diese selbständig bearbeiteten Werke schließt sich eine Reihe anderer, bei welchen R. als Mitherausgeber oder Redacteur betheiligt war. Da sind zu nennen: „Beiträge zur näheren Kenntniß und Verbreitung der Algen, von R. herausgegeben“ (1863–65), eine Sammlung von Aufsätzen verschiedener Autoren über [92] die im Titel verzeichneten Pflanzen, welche, als Sammelpunkt für die stetig angewachsene algologische Litteratur dem Specialforscher von großem Vortheil, es leider nur auf die beschränkte Zahl von 2 Heften gebracht hat. Ferner gehört dahin der in Verbindung mit Helmert 1862 herausgegebene „Elementarcursus der Kryptogamenkunde“ und die zusammen mit Gonnermann 1869–72 publicirte, aber nicht vollendete „Mycologia europaea“, 9 Hefte, Text und Abbildungen aller in Europa bekannten Pilze enthaltend. Im Jahre 1852 begründete R. die Zeitschrift „Hedwigia“, ein Notizblatt für kryptogamische Studien, deren Redaction er, durch andauernde Kränklichkeit gezwungen, 1879 auf Dr. Georg Winter übertrug, nach dessen Tode Dr. K. Prantl 1887 die Leitung übernahm, der sie mit großem Geschick noch gegenwärtig in Händen hat. Ein von R. 1846 gegründetes „Botan. Centralblatt für Deutschland“ hat dagegen nur einen Jahrgang erlebt.

Außer durch diese litterarischen Leistungen hat R. aber noch auf die Entwicklung der Kryptogamenkunde in hohem Maße fördernd eingewirkt durch die von ihm edirten Sammlungen getrockneter Pflanzen. Die Herausgabe derselben begann er 1843 mit der Uebernahme des von Klotzsch ins Leben gerufenen „Herbarium vivum mycologicum“, von welchem er in jenem Jahre die vierte Centurie erscheinen ließ. Im Laufe der Jahre dehnte R. diese Sammlungen über sämmtliche Abtheilungen der Kryptogamen aus, wobei er sich der Mithülfe der bedeutendsten Sammler und Autoren zu erfreuen hatte. So entstanden bis zum Jahre 1878 Collectionen von bedeutendem Umfange, über deren Brauchbarkeit und anregenden Einfluß unter allen auf dem betreffenden Gebiete wissenschaftlich arbeitenden Botanikern nur eine Stimme der Anerkennung herrschte. Die Aufgabe, welche sich R. dabei gestellt hatte, war, geordnetes Material für Belehrung und Untersuchung in möglichster Reichhaltigkeit in periodisch erscheinenden Dekaden oder Centurien zu liefern. Seine eigene Thätigkeit bestand im wesentlichen im Zusammentragen und Sichten des Materials, eigene kritische Durcharbeitung schloß er principiell aus, überließ vielmehr den Bearbeitern die Verantwortlichkeit für ihre Beiträge. Daß er indessen die geeigneten Mitarbeiter für diese Riesenarbeit zu gewinnen wußte, ist kein kleines Verdienst und zum größten Theile den liebenswürdigen Eigenschaften seines Charakters und seiner Uneigennützigkeit zu verdanken. Für seinen humanen Sinn zeugt auch die von ihm 1861 in die Hand genommene Anregung zur Gründung eines Unterstützungsfonds für die Hinterbliebenen mittellos verstorbener Naturforscher. Auch änderte sich nichts an seinem anspruchslosen Auftreten, als mit der Zeit eine Reihe wohlverdienter Auszeichnungen ihm zu Theil wurde. Die philosophische Doctorwürde erwarb er sich 1841 in Jena. Aeußere Anerkennungen erhielt er wiederholt durch die Huld des sächsischen Königshauses, zu dem er als Lehrer des damaligen Kronprinzen, jetzigen Königs Albert von Sachsen, in Beziehungen stand. Eine große Reihe von wissenschaftlichen, botanischen oder pharmaceutischen Vereinen und gelehrten Gesellschaften zählte ihn zu ihren Mitgliedern; sein Name aber ist für die wissenschaftliche Benennung kryptogamer Pflanzen wiederholt verwendet worden. Mit Recht sagt der Botaniker de Bary in einem in der „Botan. Zeitung“ von 1881 erschienenen Nachrufe von ihm: „Rabenhorst hat in eigenartiger Weise Hervorragendes geleistet, weil er seinem innern Berufe unbeirrt folgte, das Arbeitsfeld, für welches er geschaffen war, nach redlichem Suchen zu finden, sich dann auf dasselbe streng zu beschränken und die Zeitgenossen zur Mitarbeit sich zu verbinden wußte.“

Botan. Zeitung 1881. – Hedwigia 1881.