ADB:Ratbod (friesischer König)

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Artikel „Ratbod, König der Friesen“ von Ludwig Oelsner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 340–341, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ratbod_(friesischer_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:14 Uhr UTC)
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Ratbod: R., seit etwa 680 bis zu seinem Tode 719 König der Friesen, beherrschte bei seinem Regierungsantritt den ganzen Küstenstrich der Nordsee von den Rheinmündungen bis zur Mündung der Weser in vollster Unabhängigkeit, ja mit der Tendenz, sein Gebiet südwärts weiter auszudehnen. Dadurch mußte er mit den nordwärts strebenden Franken in Zusammenstoß gerathen, und dieser Kampf gibt ihm, gleich anderen germanischen Stammesfürsten jener Zeit, das historische Gepräge: durch Abwehr der Fremdherrschaft und des Christenthums widersetzt er sich dem zugleich politischen und religiösen Einigungswerke des Frankenreichs, zunächst Austrasiens, bei dessen Bekämpfung ihm die innere Zwietracht der Franken, ja selbst ein Bündniß mit Neustrien zu statten kommt. Sein nächster Vorgänger, Aldgisl, der erste geschichtlich beglaubigte Friesenkönig, hatte friedlichere Beziehungen unterhalten; offenbar im Einverständnisse mit Dagobert II. und im Gegensatze zu Neustrien, hatte er 677 den angelsächsischen Glaubensboten Wilfried freundlich aufgenommen, ihm die Predigt gestattet und ein gegen ihn gerichtetes Schreiben des neustrischen Majordomus Ebroin vor Aller Augen ins Feuer geworfen; ja schon zur Zeit Dagobert’s I. hatte man in Südwestfriesland, besonders in Utrecht, mit Bekehrungsversuchen begonnen. R. dagegen löst jede Verbindung und steht bereits 689 bei Wyk-de-Duerstede, an den Ufern des Rheins, dem Beherrscher des gesammten Frankenreichs, dem Sieger von Testri, Pippin dem Mittleren, kampfbereit gegenüber. Er unterliegt und muß Westfriesland an den Sieger abtreten. Hier beginnt gleich 690 der berühmte Wilbrord als Bischof von Utrecht seine Missionsarbeit. R., auf Mittel- und Ostfriesland beschränkt, findet sich in die veränderte Lage; seine Tochter Teutsinda vermählt sich mit Grimoald, dem Sohne Pippin’s; ein neustrischer Missionar, Bischof Wolfram v. Sens, findet Zutritt in seine eignen Lande und unternimmt es sogar, ihn selbst für das Christenthum zu gewinnen. Die schöne Erzählung freilich, wie R., nur um im Jenseits nicht von seinen Vorfahren getrennt zu sein, die Taufe zurückgewiesen habe, ist leider, wie noch manches andere anmuthige Geschichtchen, als Mittheilung späterer Quellen, in das Reich der Sage zu verweisen. Daß die damalige Missionsthätigkeit jedoch bei den Unterthanen Ratbod’s nicht ganz erfolglos blieb, beweist das Beispiel der Familie Liudger’s, des Friesenapostels unter Karl dem Großen. Ratbod’s eigene Gesinnung trat erst 714 wieder hervor, als Grimoald (durch die Mörderhand eines Heiden, den nur Spätere als Friesen und selbst als Werkzeug Ratbod’s bezeichnen) und kurz darauf auch dessen Vater Pippin aus dem Leben geschieden waren. Den nun entstehenden Doppelzwist, Karl Martell’s mit seiner Stiefmutter Plectrudis und Beider zugleich mit Westfrancien, benutzt R. zur Wiedergewinnung des einst verlorenen Gebietes, wo er sogleich die Kirchen niederreißt und heidnische Altäre errichtet, und zu einem Einfall in Austrasien, wo er zu Schiffe bis Köln vordringt. Er verfährt dabei im Einvernehmen mit den Neustriern, die auch ihrerseits einen Angriff auf das Ostreich machen. Karl wendet sich gegen beide Feinde; von Seiten Ratbod’s erleidet er eine Niederlage und schweren Verlust, die Neustrier überfällt er bei Amblève, schlägt sie bei Vincy und verfolgt die Fliehenden bis Paris. Nur unbeglaubigt ist die Meldung, daß er schließlich auch R. noch besiegt und wieder unterworfen hat. Gerade in jenen Jahren erschien der größte der angelsächsischen Apostel, Bonifatius, auf friesischem Boden und vor R. selbst; er mußte sich von der Fruchtlosigkeit seines Beginnens überzeugen [341] und kehrte vorerst wieder nach England zurück. Im wiedererlangten Vollbesitze seines Landes und seiner Selbständigkeit starb R. im J. 719. Mit ihm aber endete der hartnäckige nationale und religiöse Widerstand gegen die Frankenherrschaft. Wohl konnten Karl Martell und Karl der Große nur schrittweise nach erneuten Kämpfen das ganze Friesenland sich unterwerfen; aber noch vor Ablauf des Jahrhunderts bildete dies einen integrirenden Theil des Frankenreiches, und die Friesen leisteten gleich den andern deutschen Stämmen ihrem großen Könige willige Heeresfolge auf allen seinen Zügen.

Wiarda, ostfriesische Geschichte I. – Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands II. – Bonnell, die Anfänge des karolingischen Hauses. – Breysig, Karl Martell. – O. Klopp, Geschichte Ostfrieslands I. – v. Richthofen, zur Lex Frisionum (Mon. Germ. hist. Legg. T. III) – G. Richter, Annalen der deutschen Geschichte im Mittelalter I, u. a. m.