ADB:Richeza

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Artikel „Richeza“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 439–442, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richeza&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 18:06 Uhr UTC)
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Richeza: Königin von Polen, geb. Pfalzgräfin von Lothringen. Am 17. Juni 1025 starb Boleslaw Chabry, der Gründer des polnischen Staates, der noch kurz vor seinem Tode zum Zeichen seines hohen Strebens und seiner außerordentlichen Erfolge sich die Königskrone auf das Haupt gesetzt hatte. Sein Nachfolger war sein Sohn Micislaw oder Mesko II., der, indem er die Ansprüche eines älteren Bruders zurückwies, wie man vermuthet kraft einer Verfügung seines verstorbenen Vaters, die Alleinherrschaft über Polen antrat. Bei Gelegenheit eines Friedens, den Boleslaw Ch. i. J. 1013 mit Kaiser Heinrich II. zu Merseburg abgeschlossen und der seinen wiederholten Kämpfen mit dem deutschen Reiche wenigstens vorübergehend auf Kosten desselben ein Ziel gesetzt hatte, war die Verlobung Mesko’s mit einer deutschen Fürstentochter verabredet worden. Die Auserwählte war Richeza, die älteste Tochter des Pfalzgrafen Ehrenfried oder Ezzo von Lothringen und der Mathilde, einer Tochter Kaiser Otto II. Das Geschlecht der Pfalzgrafen von Lothringen war ein ziemlich junges und hatte erst durch die Verbindung mit der Kaisertochter eine hervorragende Stellung und eine beträchtliche Erweiterung seiner Hausmacht gewonnen. Pfalzgraf Ezzo hatte längere Zeit in mehr als gespannten Beziehungen zu Kaiser Heinrich II. gestanden, und es mag als eine Folge seiner Verständigung mit dem Kaiser angesehen werden, daß dieser eine der Töchter desselben dem Herzog von Polen zu Gemahlin seines Sohnes empfahl, was nicht ausschließt, daß sich Heinrich dabei zugleich von der Berechnung leiten ließ, durch eine solche Verbindung das der Unterordnung unter das deutsche Reich widerstrebende Polen fester an dieses zu ketten. Auf der andern Seite liegt die Annahme nahe, daß in den Augen des Polenherzogs der Werth dieser Verbindung gerade durch den Umstand wesentlich erhöht wurde, daß die Braut, deren Geburtsjahr unbekannt ist, mütterlicherseits von dem sächsischen Kaiserhause abstammte. Freilich hat sich die erwähnte Berechnung des Kaisers nur wenig erfüllt.

Die verabredete Ehe mit Mesko scheint noch i. J. 1013 vollzogen worden zu sein. R. hatte, nach allem was wir von ihr wissen, eine sorgfältige Erziehung genossen und war von warmer Ergebenheit für das Christenthum und die Kirche erfüllt. Als sie jetzt die Reise in ihr neues Heimathsland antrat, ließ sie nebst ihren Eltern drei Brüder und sechs Schwestern zurück. Die Bestimmung, der sie entgegen ging, war jedoch schon in Erwägung der erprobten geringen Sympathien der Polen für die Deutschen eine höchst unsichere, überdieß stand das slavische Reich in der Cultur noch weit hinter dem deutschen zurück. War es doch kaum ein halbes Jahrhundert her, daß daselbst das Christenthum durch Boleslaw’s Bemühungen in seiner Herrschaft gesichert erscheinen konnte. Wir erfahren indeß zunächst von R. weiter nichts, als daß sie am 17. Juni 1015 (nach andern 1016) einen Sohn „Kazimir“ gebar. Auch der Friede mit dem deutschen Reiche ist infolge der erneuten Versuche des Herzogs B. sich von demselben [440] gänzlich unabhängig zu machen, bald wieder in bittern Krieg umgeschlagen, in dessen Verlauf Richeza’s Gemahl, Prinz Mesko, vorübergehend als Geisel in die Hände Heinrichs (II.) gerathen ist. Das Endergebniß dieser Kämpfe war, daß bei den darauf folgenden Friedensschlüssen von der Unterordnung Polens unter die deutsche Oberhoheit kaum mehr ein Schatten übrig blieb. In diesem Zusammenhange wagte es Boleslaw kurz vor seinem Tode, ohne Zustimmung des Kaisers die königliche Würde anzunehmen.

Sein Nachfolger (Juni 1025) war, wie erwähnt, sein Sohn Mesko II., der Gemahl der deutschen Richeza. Mesko war nicht so unbedeutend, als er öfters geschildert worden ist, aber er vermochte es doch nicht, das ihm zugefallene Reich auf der Machthöhe zu erhalten, auf welche es sein gewaltiger Vater gehoben hatte. An Eifer für die Förderung und Befestigung des Christenthums hat er es nicht fehlen lassen, und es liegt die Vermuthung nahe, daß seine fromme Gemahlin ihn bei dieser Thätigkeit nach Kräften unterstützt hat. Die Begünstigung des deutschen Elementes, die ihr nicht mit Unrecht zugeschrieben wird, ist ihr dagegen weniger leicht geworden, zumal das Verhältniß ihres Gemahls zu dem deutschen Reiche sich bald genug verdüstert hat. Kaiser Konrad II. hielt die seit Kaiser Otto I. erkämpften Ansprüche des Reiches auf die Oberherrlichkeit über Polen nachdrücklich fest und war nicht geneigt, den königlichen Titel, den Boleslaw sich beigelegt und Mesko übernommen hatte, stillschweigend anzuerkennen. So kam es bald zum Bruche und Mesko wagte wiederholt räuberische Einfälle in die benachbarten deutschen Gebiete. Da verband sich Kaiser Konrad zuletzt mit Mesko’s verdrängtem Bruder und seinen inneren Gegnern, und das Ergebniß war, daß Mesko den Platz räumen und in Böhmen eine Zuflucht suchen mußte. Wo in dieser Zeit R. mit ihrem Sohne geblieben, ist uns nicht überliefert, gewiß bleibt aber, daß sie die Krisis glücklich überstanden hat, und das Jahr darauf (1032) machte es die Mißregierung Otto’s, der Mesko verdrängt hatte, und seine sich daran schließende Ermordung möglich, daß dieser in sein Reich zurückkehrte und die verlorene Stellung zurückgewann. Eine Folge dieser Vorgänge und der Wiederherstellung Mesko’s war, daß er nun den Frieden mit Kaiser Konrad II. suchte und wie berichtet wird, sogar auf den Königstitel verzichtete. Zwei Jahre darauf, 1034, ist er gestorben.

Sein Nachfolger in der Herrschaft war sein bereits mündiger Sohn Kazimir, dessen Mutter R. ihn sorgfältig erzogen und sogar für seine gelehrte Ausbildung sich bemüht hatte. Bei der Jugend des neuen Herzogs lag es nahe, daß diese auf die Regierung leicht Einfluß gewann, und bei ihrer natürlichen Vorliebe für die Cultur ihres Heimathlandes, daß sie das deutsche Element und deutsche Gesittung nachdrücklich begünstigte. Durch diese ihre Neigung rief sie jedoch eine polnische Gegenbewegung hervor, die sich vielleicht schon zu Zeiten Mesko’s vorbereitet hatte. Die Furcht der polnischen Großen, daß eine solche Begünstigung des deutschen Wesens zugleich die Abhängigkeit vom deutschen Reiche verstärken könne, dürfte nicht unwahrscheinlicher Weise dabei mitgewirkt haben. Genug, die nationale Reaction war so groß, daß noch im J. 1034 R. sammt ihrem Sohne Polen verlassen und eine Zuflucht in Deutschland suchen mußte, wo sie sowohl vom Kaiser Konrad als ihren Verwandten freundlich aufgenommen wurde. Kaiser Konrad erkannte sogar ihren königlichen Titel an, den sie seit der Thronbesteigung ihres Gemahls geführt hatte.

In ihrer Heimath hatte sich freilich seit ihrer Uebersiedelung nach Polen (1013) vieles verändert. Ihre Mutter Mathilde war bereits im J. 1025 gestorben, nachdem sie in Verbindung mit ihrem Gemahle, dem Pfalzgrafen Ezzo, aus ihren Hausgütern die Abtei Brauweiler (nordwestlich von Köln gelegen) gegründet und reichlich ausgestattet hatte. Ihr Vater hat dagegen ein hohes [441] Alter erreicht und ist in dem Jahre ihrer Flucht nach Deutschland am 20. oder 21. Mai 1034) auf seinem Schlosse zu Salfeld gestorben. In der pfalzgräflichen Würde ist ihm ihr Bruder Otto nachgefolgt, da ihm ein älterer Bruder, Ludolf, Vogt der Kölner Kirche (1031), im Tode vorausgegangen war. Ein dritter Bruder, Hermann, hatte sich der geistlichen Laufbahn gewidmet und lebte in angesehner, einflußreicher Stellung am kaiserlichen Hofe; schon im J. 1036 ist er auf den erzbischöflichen Stuhl von Köln erhoben worden. Die sechs Schwestern Richeza’s hatten sämmtlich den Schleier genommen und sind der Reihe nach in verschiedenen Klöstern, wie es dem Ansehen ihrer Herkunft entsprach, zur Würde von Aebtissinnen aufgestiegen. Der Tod ihres Vater hatte für R. aber eine besonders wichtige Folge gehabt; sie und ihr Bruder Otto waren dadurch in den Besitz der väterlichen Güter im östlichen Thüringen, Ostfranken, am Niederrhein und an der Mosel gelangt; durch diese Erbschaft sah sich die vertriebene Königin-Witwe von Polen finanziell völlig unabhängig gestellt. Von ihrem Sohne, dem Herzog Kasimir, der das Loos der Vertreibung mit ihr getheilt hatte, hören wir in den darauf folgenden Jahren wenig; doch nimmt man mit Recht an, daß er die meiste Zeit über sich in Deutschland aufgehalten habe. Erst im J. 1041 trat eine Wendung in seinem Schicksale ein: es gelang ihm infolge der nach seiner Flucht in Polen eingerissenen Verwirrung und mit Unterstützung Kaiser Heinrich’s III. die verlorene Stellung in Polen zurückzuerobern und diese durch eine Familienverbindung mit einer Tochter des russischen Großfürsten Jaroslaw dauernd zu befestigen. Seine Mutter ist aber nach wie vor in Deutschland geblieben; die Erfahrungen, die sie in Polen gemacht hatte und deren Ursachen unverändert fortbestanden, reichten hin, einen etwa auftauchenden Wunsch, ihr Loos aufs neue an das Schicksal ihres Sohnes zu ketten, im Keine zu ersticken. So hören wir denn von Beziehungen Richeza’s zu Kasimir nichts mehr, dieß um so weniger, als sich sein Verhältniß zum deutschen Reiche bald nach seiner Wiederherstellung aufs neue trübte. Er ist jedoch vor seiner Mutter, bereits im J. 1054, aus der Reihe der Sterblichen geschieden.

Von Königin Richeza ist aus dem noch übrigen letzten Abschnitte ihres Lebens folgendes hervorzuheben. Im J. 1045 wurde ihr Bruder, Pfalzgraf Otto, von Kaiser Heinrich III., zum Herzog von Schwaben erhoben, während ihm in der Pfalzgraffschaft sein Vetter Heinrich nachfolgte. Er ist übrigens schon zwei Jahre darauf (1047), von seiner Schwester tief betrauert, gestorben und in ihrer Gegenwart im Kloster Brauweiler, der Stiftung und Ruhestätte ihrer Eltern, begraben worden. Der Schmerz Richeza’s über diesen seinen Tod soll so mächtig gewesen sein, daß sie alle ihre Kleinodien, die sie bei sich führte, dem Kloster überließ und aus der Hand des Bischofs Bruno von Toul – des späteren Papstes Leo IX. – den Schleier nahm. Diese Nachricht dürfte jedoch insofern nicht buchstäblich zu nehmen sein, als sie notorisch nach wie vor auf ihren Gütern, am liebsten wie es scheint, in Salfeld lebte und im Genusse des freien Verfügungsrechtes über dieselben verblieb. Die eventuelle Entscheidung über diese Güter hat übrigens ihre kirchliche Umgebung frühe lebhaft beschäftigt. Seit dem kinderlosen Tode ihres Bruders Otto war sie ja die alleinige Eigenthümerin derselben geworden, und sie galt daher, nachdem seit 1041 alle Beziehungen zu ihrem Sohne erloschen waren, als heredem in terris non habens; auch ihr Bruder der Erzbischof Hermann von Köln ist ihr (1056) im Tode vorangegangen. Polnische Nachrichten sprechen zwar von einer Tochter, die sie ihrem Gemahl nebst dem Sohne geboren und erzählen, daß Kazimir diese mit einem ungarischen Prinzen vermählt habe, aber gewiß ist, daß diese Deutschland niemals gesehen und, was auch ihr Schicksal war, von der Mutter als verschollen betrachtet worden ist. So blieb nur die Frage übrig, wer die glücklichen Erben [442] sein sollten, und diese wurde nach dem Geiste der Zeit dahin beantwortet, daß die Kirchen von Würzburg und Köln nebst der Abtei Brauweiler noch bei Lebzeiten Richeza’s das Recht der Succession gewannen. Der viel beneidete Uebergang des reichen Gutes Salz (Neustadt unter der Salzburg in Ostfranken, im Sprengel von Würzburg gelegen) an das Hochstift Würzburg, war bereits bei Lebzeiten ihres Bruders Otto und mit dessen Zustimmung durch Bischof Adalbero eingeleitet worden, erhielt jedoch erst zehn Jahre nach dessen Tode (1057) den endgültigen Abschluß. Die Ueberlieferung schreibt der Königin überdieß das Verdienst zu, den gen. Bischof Adalbero bei der Gründung der Abtei St. Stephan in Würzburg durch nachhaltige Gaben wirksam unterstützt zu haben. Im J. 1056 übertrug R. ihr Weingut Cloten an der Mosel an die Abtei Brauweiler, die sie schon früher durch Vergabungen bedacht hatte, und trat zugleich dem Nachfolger ihres Bruders auf dem Kölner Erzstuhle, Erzbischof Anno II., für den Fall ihres Todes das Gut (provinciam) Salfeld mit allem was dazu gehörte, Coburg mit eingeschlossen, ab. Erzbischof Anno hat auf Grund dieser Schenkung nach ihrem Tode das Schloß Salfeld in eine, der Kölner Kirche unterworfene, Abtei umgewandelt. Es verdient erwähnt zu werden, daß ein paar Vertrauensmänner Richeza’s, nämlich die Grafen Gozwin und Sterker, die in den Beurkundungen der gedachten Schenkungen erwähnt werden, aus dem nordwestlichen Franken stammten. In Salfeld erreichte auch R. das Schicksal aller Sterblichen: sie ist hier am 21. März 1063 gestorben, und es war Erzbischof Anno’s Werk, daß sie, man darf annehmen gegen ihren Herzenswunsch, statt im Kloster Brauweiler, zu Köln in der Kirche S. Mariae ad gradus ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Ein Testament, das sie hinterlassen haben soll (Martene et Durand, Vet. Monum. p. 424–39), gilt mit Recht als unecht.

Quellen und Litteratur: Fundacio monasterii Brunwilarensis, jüngste Ausgabe durch H. Papst im Archiv für ä. d. Geschichtskunde, 12. Bd. S. 147 ff., als Anhang zu seiner Untersuchung über die Brauweiler Geschichtsquelle, die sich in höchst lehrreicher Weise mit den gefälschten Brauweiler Urkunden, die sich auf die Schenkungen der Königin Richeza’s beziehen, beschäftigt. – Acta SS. V. zum 21. Mai. – Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, Bd. II. – G. H. Beyer, Urkundenbuch zur Geschichte des preuß. Reg.-Bezirks Coblenz und Trier, Bd. I. – Monumenta Boica, 37. Bd. – Gelenius, Historia et Vindiciae b. Richezae (Colon. Agr. 1649), unkritisch. – G. Chr. Crollius, Erläuterte Reihe der Pfalzgrafen zu Achen u. s. w., Zweybrücken 1762. – Röppell, Geschichte Polens, 1. Theil passim und die Beilage 8. – Giesebrecht, Geschichte der d. Kaiserzeit, Bd. II. – Jahrbücher des deutschen Reichs unter Kaiser Heinrich II, Konrad II., Heinrich III., von Hirsch (Usinger, Breßlau), Breßlau und Steindorff.