ADB:Rosen, Friedrich

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Artikel „Rosen, Friedrich“ von Johannes Klatt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 192–195, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rosen,_Friedrich&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 19:43 Uhr UTC)
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Rosen: Friedrich August R., Orientalist und besonders Sanskritgelehrter, geboren in Hannover am 2. September 1805, † in London am 12. September 1837, Bruder des Orientalisten Georg R., empfing den ersten Unterricht von seinem Vater, dem als juristischer Schriftsteller bekannten Friedrich Ballhorn R. (damals Justizkanzleidirector in Detmold, † am 15. Oct. 1855), besuchte das Gymnasium in Göttingen und seit 1822 die Universität in Leipzig, auf welcher er zuerst theologische und auf seines Vaters Wunsch auch juristische Vorlesungen hörte, bald aber ganz dem Studium der orientalischen (semitischen) Sprachen sich zuwendete. Als er zu Ostern 1824 auf ein halbes Jahr nach Hause kam, fielen ihm zuerst einige der damals sehr seltenen Sanskritbücher in die Hände, die sein vielseitigen Interessen zugewendeter Vater sich verschafft hatte. Die mit seinem Vater gemeinschaftlich getriebenen Studien erweckten bei ihm ein so lebhaftes Interesse, daß er sich den Sanskritstudien ganz zu widmen beschloß und zum Winter 1824 nach Berlin, dem Sitze der Sanskritgelehrsamkeit ging, um Bopp’s Unterricht zu genießen. Als erste Frucht seiner Studien erschien 1826 seine Promotionsschrift „Corporis radicum sanscritarum prolusio.“ Berol. 1826. 8°. 54 S.; (Rec. E. Burnouf: Journ. asiat. IX, 374–78, v. Bohlen: Hall. Allg. Lit.-Ztg. 1826, II, 793–98), welche der Vorläufer war der im nächsten Jahre herausgegebenen „Radices sanscritae.“ Berol. 1827. 8°. XX, 381 S. (Rec. P. v. Bohlen: Jahrbücher f. wiss. Kritik 1828 Jan., Sp. 65–85). Dieses Wilhelm von Humboldt gewidmete Werk, welches auf der Grundlage der von den indischen Grammatikern gemachten Wurzelsammlungen beruhend die Verbalwurzeln der Sanskritsprache alphabetisch geordnet und erläutert durch Beispiele aus der bis dahin bekannten Sanskritlitteratur enthält, wurde eine wichtige Vorarbeit für das Sanskritwörterbuch und hat seiner Zeit, namentlich bis zum Erscheinen von Westergaard’s „Radices linguae sanscritae“ (1841) sowohl die Sanskritstudien als auch die indogermanische Sprachvergleichung [193] wesentlich gefördert. Inzwischen war R., nachdem eine Aussicht, bei der preußischen Gesandtschaft in Constantinopel angestellt zu werden, wieder geschwunden war, 1827 nach Paris gegangen, um unter Silvestre de Sacy seine orientalischen Studien fortzusetzen. Kaum in Paris angelangt, erhielt er im Alter von 22 Jahren eine Berufung als Professor der orientalischen Sprachen an die neu gegründete Universität in London. Die Vorlesungen, die er dort zu halten hatte, waren meist von praktischer Bestimmung, er lehrte Persisch, Arabisch, seit 1829 auch Hindustanisch, den jungen Leuten, die nach Indien gehen wollten. Mehr befriedigte ihn ein Sanskritcursus und am meisten die Beschäftigung mit den reichen Schätzen von Sanskrithandschriften, die er in London vorfand und die ihn den Plan fassen ließen, das älteste und wichtigste Litteraturdenkmal der Inder, den Ṛigveda herauszugeben. Seine erste Publication auf englischem Boden war indessen eine arabische, die Algebra des Mohammed ben Musa, die er 1831 auf Colebrooke’s Anrathen in arabischem Text und englischer Uebersetzung herausgab: „The algebra of Mohammed ben Musa. Edited and translated.“ London, printed for the Oriental Translation Fund 1831. gr. 8°. XVI, 208, 123 S. (Rec. Sohncke: Jahrbücher f. wiss. Kritik 1833, Mai, Sp. 711–18). Dieses unter dem Khalifen Al Mamun verfaßte Werk enthält zwar nicht, wie man früher annahm, die eigentliche Erfindung der Algebra, ist aber das älteste arabische Werk über diesen Gegenstand und insofern auch für die Geschichte der Mathematik von wesentlicher Bedeutung, als es den Nachweis liefert, daß die Araber die Algebra den Indern entlehnt haben. Eine Ausgabe des biographischen Lexikons des Ibn Khallikan, die von R. begonnen wurde, blieb wegen seines Todes unvollendet und erschien nicht im Druck, ebenso ein Werk über das indische Recht.

Die geringe Befriedigung, die R. in seiner Stellung als Professor an der Londoner Universität (später University College) fand, und gekränktes Ehrgefühl bewogen ihn sein Amt niederzulegen. Zum Ersatz des verlorenen Gehaltes, welches ihm ein sorgenloses Leben gestattet hatte, war er genöthigt, gewinnbringende litterarische Arbeiten zu übernehmen und Privatunterricht namentlich im Deutschen zu geben. So bearbeitete er die auf den Orient bezüglichen Artikel in der „Penny Cyclopaedia“, revidirte die beiden Bände „The Hindoos“, welche in der Library of entertaining knowledge erschienen und in welchen das Kapitel über die indische Litteratur ganz von ihm geschrieben ist. Einen großen Aufwand von Zeit und Mühe kostete ihm die Durchsicht des „Dictionary bengálí and sanskrit explained in english“ von Sir Graves C. Haughton, London 1833. 4° (XXVI, 2851 S., s. pref. p. VII) und die Mitarbeiterschaft an dem Katalog der syrischen Handschriften des Britischen Museums, welcher erst nach seinem Tode erschien: „Catalogus codicum manuscriptorum orientalium qui in Museo Britannico asservantur. Pars I. codices syriacos et carshunicos amplectens.“ London 1838 fol. (genannt ist Rosen’s Name weder auf dem Titel, noch unter der von ihm geschriebenen Vorrede, aber in Forshall’s „Address to the reader“). R. hat ebenfalls, ohne sich dabei zu nennen, die gesammelten kleineren Schriften des berühmten Colebrooke († 1837) herausgegeben, eine Arbeit, die ihm von Colebrooke selbst anvertraut worden war: H. T. Colebrooke, „Miscellaneous essays.“ Vol. 1. 2. London 1837, vgl. New edition, vol. I (1873), pref. p. V. Von R. ist auch der Verkaufskatalog der von Sir Robert Chambers in Indien gesammelten und jetzt in der Königlichen Bibliothek zu Berlin befindlichen Sanskrithandschriften, welcher erst nach Rosen’s Tode im Druck erschien: „Catalogue of the sanskrit manuscripts, collected during his residence in India by the late Sir Robert Chambers … With a brief memoir, [194] by Lady Chambers.“ London 1838. fol. (darin ein Facsimile eines Briefes von R. an Lady Chambers).

Neben allen diesen Arbeiten, zu denen noch eine nicht unbedeutende durch seine unermüdliche Gefälligkeit gegen auswärtige Gelehrte verursachte Arbeitslast hinzukam, rückte doch auch das Werk seines Lebens, das ihm am meisten am Herzen lag, die Ausgabe des Ṛigveda langsam vor. Schon 1830 waren sieben ausgewählte Hymnen erschienen: „Rig-Vedae specimen.“ Londini 1830. 4°. 27 S. (Rec. F. Bopp: Jahrb. f. wiss. Kritik 1830 Dec., Sp. 948–56, H. Ewald: Gött. gel. Anz. 1831, S. 1241–48). 1836 war er endlich so weit gekommen, daß der Druck des ersten Buches beginnen konnte, als seine Gesundheit, die immer nur zart gewesen war, und die durch die übergroßen Anstrengungen der letzten Jahre und wohl auch durch die nagende Empfindung, die Hauptarbeit seines Lebens, die Herausgabe des Ṛigveda immer weiter hinausgeschoben zu sehen, untergraben wurde, zusammenbrach. Er mußte jede Beschäftigung aufgeben, wollte zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehren, starb aber zuvor im Alter von 32 Jahren nach kurzer Krankheit. Der frühe Tod des hochbegabten Gelehrten erregte allgemeine Theilnahme. Seine Freunde ließen auf sein Grab auf dem Kirchhofe zu Kensall Green in der Nähe von London ein Denkmal setzen und eine Marmorbüste von ihm anfertigen, welche seinem Vater übersendet wurde. Das, was R. von der Ṛigveda-Ausgabe vollendet hatte, nämlich Text und Uebersetzung des ersten ashṭaka und Anmerkungen bis zum 31. Hymnus, erschien erst nach seinem Tode: Rigveda-Sanhita, liber primus, sanskrite et latine. London, printed for the Oriental Translation Fund 1838. gr. 4°. VIII, 263, LXIX S. (Rec. Chr. Lassen: Zeitschr. f. d. Kunde des Morgenlandes III, 467–89, A. Kuhn: Jahrb. f. wiss. Kritik 1844, Jan., Sp. 91–102. 105–36). Auch in seiner unvollendeten Gestalt bezeichnet das Werk, für welches R. die umfassendsten Vorstudien der übrigen vedischen Schriften, der indischen Commentatoren und Grammatiker gemacht hatte, einen bleibenden Fortschritt der indischen Philologie, und wenn auch das, was R. leisten wollte, inzwischen durch Andere (namentlich durch Max Müller’s Ausgabe des Ṛigveda) ersetzt worden ist, so gebührt doch R. der Ruhm, die Bahn gebrochen zu haben. R. Roth urtheilt darüber: „Hatte endlich Colebrooke in das Dunkel (des Veda) Licht gebracht, so war ihm dennoch die Bedeutung dieser Bücher zum Theile entgangen, und Fr. Rosen, welcher sie erkannte und der Mann war, die Entdeckung fruchtbar zu machen, sollte es nur vergönnt sein, sich ein schönes Denkmal zu setzen, einen Anfang zu machen, welcher uns den Fortgang um so schwerer vermissen läßt, je mehr dieser durch wachsende Erfahrung sicherlich eine vollkommene Gestalt gewonnen hätte.“ In Rosen’s Nachlaß fanden sich in beinahe druckfertigem Zustande die Fortsetzung der Anmerkungen zu dem gedruckten Text und ein index verborum. Beides wurde von Rosen’s Vater Lassen anvertraut, welcher darüber schrieb, er betrachte die baldigste Veröffentlichung als eine Pflicht gegen den unvergeßlichen Freund (Zeitschr. f. d. Kunde des Morgenlandes Bd. 3, S. 488 f.). Dennoch ist nichts davon veröffentlicht worden.

An R. wird von denen, die ihn persönlich kannten, die Reinheit und Aufrichtigkeit seines Charakters hervorgehoben. Sein Freund Bohlen nennt ihn eine reine Seele und seinen treuen, unvergeßlichen Rosen (s. P. v. Bohlen, Autobiographie. 1841, S. 61. 75. 77), und E. Jacquet schreibt über ihn in einem Briefe an Lassen vom 25. November 1837: La littérature sanscrite et orientale en général perd une de ses lumières les plus brillantes, et tous ceux qui ont eu l’avantage de le connaître personnellement le regrettent comme un homme honorable, non moins distingué par ses qualités morales que par son [195] érudition, en un mot comme a sensible man (s. F. Nève, Mémoire sur la vie d’Eug. Jacquet, p. 22, not. 1, in den Mémoires couronnés et mémoires des savants étrangers, publiés par l’acad. roy. de Belgique, t. 27. 1855–56).

Vgl. ferner Conversations-Lexikon der Gegenwart. In 4 Bänden. Leipzig (Brockhaus). Bd. 4, Abth. 1 (1840), S. 637–39 (das Ausführlichste über Rosen’s Leben). – Penny Cyclopaedia, vol. 20 (1841), p. 168–69. – B. S. H. (d. i. Barthélemy St.-Hilaire) in der Biographie universelle, Bd. 36 (1863). – Annual Report of the University College, London, for 1837–38. – Journal of the Royal Asiatic Society. Vol. 5 (1839), Proceed. p. VII. – Poley’s preface zu Rigveda-Sanhita, liber I ed. Rosen (1838), p. VI–VIII. – Einige Briefe Rosen’s enthält P. v. Bohlen, Autobiographie. 2. Aufl. (1842), S. 127. 138. 140. 150. – Eine wissenschaftliche Würdigung Rosen’s findet sich in den oben erwähnten Recensionen der Ṛigveda-Ausgabe von Lassen und A. Kuhn.