David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 6

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5. Über den Dirichletschen biquadratischen Zahlkörper. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
6. Ein neuer Beweis des Kroneckerschen Fundamentalsatzes über Abelsche Zahlkörper.
7. Die Theorie der algebraischen Zahlkörper.
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6. Ein neuer Beweis des Kroneckerschen Fundamentalsatzes über Abelsche Zahlkörper[1].
[Aus den Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Mathematisch-physikalische Klasse. 1896. S. 29–39.]

L. Kronecker hat in den Monatsberichten der Berliner Akademie vom Jahre 1853 zuerst den fundamentalen Satz aufgestellt, daß die Wurzeln aller Abelschen Gleichungen im Bereich der rationalen Zahlen sich durch Einheitswurzeln rational ausdrücken lassen. Bezeichnet man diejenigen Zahlkörper, die durch Einheitswurzeln bestimmt sind, und alle Unterkörper von solchen Körpern kurz als Kreiskörper, so spricht sich der genannte Satz wie folgt aus:

Fundamentalsatz. Alle Abelschen Zahlkörper im Gebiete der rationalen Zahlen sind Kreiskörper.

H. Weber hat in den Acta Mathematica Bd. 8 einen vollständigen und allgemeinen Beweis dieses Satzes erbracht. Die vorliegende Note enthält einen neuen Beweis, welcher weder die Kummersche Zerlegung der Lagrangeschen Resolvente in Primideale noch die Anwendung der dem Wesen des Satzes fremdartigen transzendenten Methoden von Dirichlet erfordert. Der folgende Beweis ist vielmehr rein arithmetischer Natur; er beruht wesentlich auf den allgemeinen Begriffsbildungen, die ich in der Note „Grundzüge einer Theorie des Galoisschen Zahlkörpers“[2] in diesen Nachrichten vom Jahre 1894 kurz dargelegt habe und ist vermutlich weitgehender Verallgemeinerungen fähig.

Wenn die Gruppe eines Abelschen Körpers aus den Potenzen einer einzigen Substitution besteht, so heiße der Abelsche Körper zyklisch. Wir konstruieren folgende besonderen zyklischen Körper. Es bedeute eine ungerade Primzahl und eine Potenz derselben; dann ist der durch bestimmte Körper ein zyklischer Körper vom -ten Grade. Der zyklische Unterkörper vom -ten Grade dieses Körpers werde mit bezeichnet; die Diskriminante von ist eine Potenz von . Ferner bestimmt die Zahl einen reellen zyklischen Körper vom -ten Grade. Dieser Körper werde mit bezeichnet; die Diskriminante desselben ist eine Potenz von Endlich wählen wir eine rationale Primzahl mit der Kongruenzeigenschaft nach aus, wo eine beliebige gerade oder ungerade Primzahl bedeutet; dann besitzt der Kreiskörper vom Grade offenbar einen zyklischen Unterkörper vom Grade , dessen Diskriminante eine Potenz von ist. Dieser zyklische Körper -ten Grades werde mit bezeichnet. Die Körper sind sämtlich Kreiskörper.

Wir beweisen nun der Reihe nach folgende Hilfssätze über zyklische Körper.

Satz 1. Wenn ein beliebiger zyklischer Körper , dessen Grad die Potenz einer geraden oder ungeraden Primzahl ist, keinen der beiden Körper oder als Unterkörper enthält, so gibt es in dem durch die Zahl bestimmten Körper stets eine ganze algebraische Zahl von der Art, daß der aus und zusammengesetzte Körper durch die Zahlen und bestimmt ist. Die Zahl besitzt obenein die Eigenschaft, daß die -te Potenz einer Zahl in wird; dabei bedeutet eine beliebige, nicht durch teilbare ganze rationale Zahl, ferner die zugehörige Substitution der Gruppe des Kreiskörpers und endlich ist symbolisch , d. h. gesetzt.

Beweis. Ist eine den Körper bestimmende ganze algebraische Zahl und sind die Substitutionen der Gruppe von , so setze man

Aus folgt leicht, daß die beiden Zahlen und Zahlen des Körpers sind. Die Zahl ist daher von der verlangten Beschaffenheit. Daß der durch und bestimmte Körper mit dem durch und bestimmten Körper identisch ist, folgt leicht aus der Gleichheit ihrer Grade, da der letztere Körper den ersteren enthält.

Satz 2. Wenn ein beliebiger zyklischer Körper , dessen Grad die Potenz einer ungeraden Primzahl ist, den Körper als Unterkörper enthält, so enthält der aus und aus zusammengesetzte Körper notwendig den durch bestimmten Körper als Unterkörper. Es gibt nun in diesem Körper stets eine ganze algebraische Zahl derart, daß der Körper auch durch die Zahlen und bestimmt ist. Bezeichnet ferner eine Primitivzahl nach und wird gesetzt, so besitzt die Zahl obenein die Eigenschaft, daß die -te Potenz einer Zahl des Körpers wird.

Beweis. Ist eine den Körper bestimmende, ganze algebraische Zahl und sind , , , …, die Substitutionen der Gruppe von , so setze man und

.

Der Körper enthält offenbar den Körper als Unterkörper, und zwar sind die Zahlen dieses Unterkörpers dadurch charakterisiert, daß sie bei der Substitution ungeändert bleiben. Wegen ist somit eine Zahl in . Es sei nun eine solche Substitution der Gruppe des Körpers , daß wird; dann ist ; da mithin der Ausdruck bei der Substitution ungeändert bleibt, so ist eine Zahl in und folglich wird die -te Potenz einer solchen Zahl. Der Kürze halber ist hier wiederum von der symbolischen Schreibweise Gebrauch gemacht.

Satz 3. Wenn ein beliebiger zyklischer Körper ist, dessen Grad die Potenz einer beliebigen geraden oder ungeraden Primzahl ist, so kann man stets einen zyklischen Körper vom Grade , wo ist, und mit folgenden beiden Eigenschaften finden. Erstens: der aus und einem gewissen Kreiskörper zusammengesetzte Körper enthält als Unterkörper und zweitens: in der Diskriminante von geht keine rationale Primzahl mit der Kongruenzeigenschaft nach auf.

Beweis. Ist eine rationale Primzahl, welche die Kongruenzeigenschaft nach besitzt und welche in der Diskriminante des Körpers aufgeht, so konstruiere man den zyklischen Kreiskörper vom Grade , dessen Diskriminante eine Potenz von ist, und betrachte den aus und zusammengesetzten Körper vom -ten Grade. In ist , wo ein Primideal in bedeutet. Es sei ein in aufgehendes Primideal des Körpers . Da das Primideal in der Gradzahl des Körpers nicht aufgeht, so ist dieser Körper als Verzweigungskörper des Primideals relativ zyklisch, und zwar mindestens vom Relativgrade in bezug auf den Trägheitskörper des Primideals . Da ferner zyklische Körper von höherem als dem -ten Grade in nicht vorkommen, so hat genau den Relativgrad in bezug auf . Hieraus folgt, daß der Trägheitskörper vom Grade ist; dieser Körper ist überdies zyklisch, da sonst, wie die Lehre von den Abelschen Gruppen zeigt, der Körper nicht relativ zyklisch in bezug auf sein könnte. Das Grundideal des Trägheitskörpers ist nicht durch und daher auch die Diskriminante von nicht durch teilbar; diese Diskriminante enthält daher nur solche Primteiler, welche in der Diskriminante des Körpers aufgehen und verschieden von sind. Es handelt sich nun darum, ob in der Diskriminante von noch eine Primzahl mit der Kongruenzeigenschaft nach enthalten ist. In diesem Falle wenden wir das nämliche Verfahren auf den Körper an und gelangen so zu einem zyklischen Körper vom -ten Grade, welcher folgende Eigenschaften besitzt: der aus und einem gewissen zyklischen Kreiskörper zusammengesetzte Körper enthält als Unterkörper und die Diskriminante des Körpers enthält nur solche Primzahlen, welche in der Diskriminante des Körpers aufgehen und von und verschieden sind. Die wiederholte Anwendung des Verfahrens führt schließlich auf einen Körper von der im Satze verlangten Beschaffenheit.

Satz 4. Wenn ein zyklischer Körper ist, dessen Grad die Potenz einer beliebigen geraden oder ungeraden Primzahl ist und wenn den Unterkörper -ten Grades von bezeichnet, so besitzen sämtliche von verschiedenen Primteiler der Diskriminante von die Kongruenzeigenschaft nach .

Beweis. Zunächst betrachten wir den Fall, daß eine ungerade Primzahl und ist. Es sei dann im Gegensatz zu unserer Behauptung eine rationale in der Diskriminante von aufgehende Primzahl, welche nach ist. Ferner bezeichne den durch bestimmten Körper, und es sei in eine Primitivzahl nach . Ist ein idealer Primfaktor von in , so ist das Primideal wegen nach , wie die Theorie des Kreiskörpers lehrt, zugleich ein Primideal in einem Unterkörper von , und es gibt mithin eine Potenz der Substitution , deren Exponent ist und für welche dennoch oder wird. Desgleichen gelten auch für die zu konjugierten Primideale , , … die entsprechenden Gleichungen , , …. Nach Satz 1 gibt es eine ganze Zahl in , so daß die beiden Zahlen und den aus und zusammengesetzten Körper bestimmen und für welche obenein gleich der -ten Potenz einer Zahl in wird. Da und zwei ganze ganzzahlige Funktionen von sind, welche im Sinne der Kongruenz nach keinen gemeinsamen Faktor heben, so gibt es 3 ganze ganzzahlige Funktionen , , der Veränderlichen , so daß

ist und hieraus folgt

,

wo eine Zahl in ist. Wegen der vorhin bewiesenen Gleichung für die Primideale , , , … ist eine ganze oder gebrochene Zahl, deren Zähler und Nenner keinen der Primfaktoren , , , … enthalten und daher zu prim sind; das gleiche gilt somit von der Zahl . Wir setzen , wo eine ganze algebraische zu prime Zahl und eine ganze rationale Zahl bedeutet. Der Körper wird mithin auch durch die beiden Zahlen und bestimmt. Die Partialdiskriminante der Zahl ist in bezug auf , und da zu prim ist, so ist mithin die Partialdiskriminante von in bezug auf prim zu . Da andrerseits die Diskriminante von nicht durch teilbar ist, so ist auch die Diskriminante von und folglich auch die Diskriminante des Körpers prim zu , was unserer Annahme widerspricht.

In ähnlicher Weise schließen wir die Richtigkeit unseres Satzes bei ungeradem , wenn der Exponent beliebig angenommen wird. Wir setzen unter Beibehaltung der in Satz 1 angewandten Bezeichnungsweise und , wo eine Primitivzahl nach bedeuten möge. Es sei ein idealer Primfaktor der in der Diskriminante von , aufgehenden Primzahl in . Nehmen wir nach an, so liegt, wie die Theorie des Kreiskörpers lehrt, das Primideal jedenfalls auch in dem Unterkörper , d. h. es ist und ebenso gelten für die zu in konjugierten Primideale , … die Gleichungen , …. Da Primitivzahl nach ist, so wird nach und mithin lassen sich 3 ganze ganzzahlige Funktionen , , der Variablen derart bestimmen, daß

ist; hieraus folgt insbesondere, wenn die in Satz 1 bestimmte Zahl bedeutet

,

wo eine Zahl in bedeutet. Wegen der vorhin bewiesenen Eigenschaft der Primideale , , … ist und folglich auch eine Zahl, deren Zähler und Nenner zu prim ausfallen. Wir können daher die letztere Zahl setzen, wo eine ganze algebraische zu prime Zahl und eine ganze rationale Zahl bedeutet. Es ist folglich , und daraus ergibt sich , wo ebenfalls in liegt. Da der durch und bestimmte Körper mit demjenigen Körper identisch ist, welcher durch Zusammensetzung aus und entsteht, und da die Partialdiskriminante der Zahl in bezug auf den zu primen Wert besitzt, so ist die Partialdiskriminante des Körpers in bezug auf prim zu . Andererseits ist die Diskriminante von ebenfalls nicht durch teilbar, und folglich gilt das gleiche auch von den Diskriminanten des Körpers und des Körpers . Der letztere Umstand widersprieht unserer Annahme.

Um die Richtigkeit des Satzes 4 für zu erkennen, machen wir zunächst die Annahme und wenden dann auf den zyklischen Körper vom 4-ten Grade den Satz 1 an. Gemäß der dort gebrauchten Bezeichnungsweise setzen wir und wählen . Dann ist . Es sei der quadratische Unterkörper von und eine in der Diskriminante von aufgehende Primzahl, welche nach ist. Infolgedessen ist in unzerlegbar. Ist nun die durch Satz 1 in unserem Falle bestimmte Zahl durch teilbar, so bilde man die Zahl . Da nach Satz 1 andererseits sein soll, wo in liegt, so folgt d. h. . Infolgedessen ist das Quadrat einer Zahl in ; wir setzen , wo eine ganze algebraische zu prime Zahl und eine ganze rationale Zahl bedeutet. Da der Körper mit dem Körper übereinstimmt und da andererseits die Partialdiskriminante der Zahl in bezug auf zu prim ist, so ist auch die Partialdiskriminante des Körpers in bezug auf prim zu , und hieraus folgt, wie vorhin, daß die Diskriminante von nicht durch teilbar sein kann.

Ist im Falle der Exponent , so setzen wir . Wäre dann die in der Diskriminante von aufgehende Primzahl nach und nach und ist ein idealer Primfaktor von in , so bleibt ungeändert bei der Substitution , wo entweder oder ist; folglich wird . Wegen nach gilt eine Gleichung von der Gestalt

und aus dieser schließen wir, wie vorhin bei ungeradem , auf einen Widerspruch mit der Annahme, wonach in der Diskriminante von aufgeht.

Satz 5. Wenn die Diskriminante eines zyklischen Körpers von dem ungeraden Primzahlgrade gleich einer positiven Potenz von ist, so stimmt der Körper mit dem Körper überein. Wenn ferner ein zyklischer Körper , dessen Grad eine höhere als die erste Potenz der ungeraden Primzahl ist, den Kreiskörper als Unterkörper enthält, so stimmt der Körper mit dem Körper überein.

Beweis. Wir benutzen die in Satz 2 erklärte Bezeichnungsweise und setzen überdies ; es ist dann ein Primideal in und es wird im Sinne der Idealtheorie

;

endlich gilt die Kongruenz

.
Wir betrachten nun die in Satz 2 konstruierte Zahl . Da das Primideal in vom ersten Grade ist, so folgt, wenn gesetzt wird, für diese Zahl die Kongruenz nach . Wir setzen nach , wo eine ganze rationale Zahl bedeutet; dann ist nach . Nunmehr führen wir den Nachweis dafür, daß im Körper eine Zahl gefunden werden kann, so daß die Kongruenz nach besteht. Zu dem Zwecke nehmen wir an, es sei der größte Exponent von der Beschaffenheit, daß bei geeigneter Wahl der in liegenden Zahl die Kongruenz nach stattfindet und es sei unserer Behauptung entgegen nicht durch teilbar, d. h. es sei ; wir setzen demgemäß nach , wo eine nicht durch teilbare ganze rationale Zahl bedeutet, und unterscheiden 2 Fälle, je nachdem durch teilbar ist oder nicht. Im ersten Falle gilt die Kongruenz
,     

und mithin ist

,     .

Diese Kongruenz widerstreitet der Annahme, wonach der größte Exponent dieser Art sein sollte. Im zweiten Falle berücksichtigen wir, daß nach Satz 2 und folglich auch die -te Potenz einer Zahl in ist; wir setzen etwa , wo eine Zahl des Körpers ist. Dieser Umstand liefert die Kongruenz nach . Da und nicht durch teilbar ist, so würde hieraus nach folgen, was ebenfalls unmöglich ist, da Primitivzahl nach sein soll. Diese Betrachtung lehrt also , womit unsere Behauptung bewiesen ist.

Wir setzen nun , wo eine ganze algebraische Zahl mit der Kongruenzeigenschaft nach ist und eine ganze rationale Zahl bedeutet. Nehmen wir dann an, der Körper sei von dem Körper verschieden, so wäre der aus , und zusammengesetzte Körper vom Grade . Es ist andererseits gleich einer ganzen Zahl des Körpers und die Partialdiskriminante dieser Zahl in bezug auf ist gleich , wo eine Einheit ist. Da zu prim ist, so ist mithin die Partialdiskriminante des Körpers in bezug auf den Körper ebenfalls prim zu . Bezeichnen wir daher mit einen idealen Primfaktor von im Körper , so besitzt in diesem Körper einen Trägheitskörper , welcher mindestens den Grad hat. Die Diskriminante dieses Trägheitskörpers ist prim zu u.

Nehmen wir zunächst , so wäre der genannte Trägheitskörper ; dies ist nicht möglich, weil nach Voraussetzung die Diskriminante des Körpers eine positive Potenz von ist. Der Beweis für den ersten Teil unseres Satzes ist hierdurch erbracht. Nehmen wir an, so müßte jener Trägheitskörper des Ideals entweder sein oder den Körper als Unterkörper enthalten. Beides ist nicht möglich, da die Diskriminante von eine Potenz von ist und dieser Widerspruch lehrt die Richtigkeit des zweiten Teiles unseres Satzes 5.

Satz 6. Wenn ein reeller zyklischer Körper vom Grade den Körper als Unterkörper enthält, so stimmt mit überein.

Beweis. Der Körper wird durch die Zahl

und der Körper durch die Zahl

bestimmt. Es ist , d. h. . Im Sinne der Idealtheorie gilt ferner die Gleichung (2) , wo ein Primideal in bedeutet. Der Körper ist jedenfalls durch die Zahl und eine Zahl von der Form bestimmt, wo eine ganze Zahl in bedeutet. Wäre nun der Körper von verschieden und nehmen wir an, es sei durch , aber nicht durch teilbar, so setze man ; die beiden Zahlen und definieren dann wiederum einen reellen zyklischen Körper vom -ten Grade und bedeutet eine ganze, nicht durch teilbare Zahl. Wir wollen zeigen, daß dieses unmöglich ist.

Zu dem Zwecke setzen wir und . Da die Zahl mit der Zahl zusammen ebenfalls den Körper definieren muß, so folgt , wo in liegt, d. h. es ist das Quadrat einer Zahl in . Nunmehr führen wir den Nachweis dafür, daß im Körper eine Zahl gefunden werden kann, welche der Kongruenz nach genügt. Zu dem Zwecke nehmen wir an, es sei der größte Exponent von der Beschaffenheit, daß bei geeigneter Wahl der in liegenden Zahl die Kongruenz nach stattfindet und es sei im Gegensatz zu unserer Behauptung ; wir setzen demgemäß nach und unterscheiden dann 2 Fälle, je nachdem gerade oder ungerade ausfällt. Im ersteren Falle berücksichtigen wir die Kongruenz nach ; dieselbe würde zeigen, daß nicht der höchste Exponent von der verlangten Art wäre. Im zweiten Falle setzen wir nach , wo den Wert oder hat. Ist , so berücksichtigen wir, daß für die Kongruenz nach gilt. setzen wir daher , so wird nach ,wo den Wert oder hat. Wegen nach folgt:

, 

d. h. für , bezüglich für :

, 
, .

Die rechte Seite der ersteren Kongruenz kann nicht nach sein; soll die rechte Seite der zweiten Kongruenz nach sein, so muß werden, da , wie leicht ersichtlich, der kleinste unter allen ungeraden Exponenten ist derart, daß nach werden kann. Wegen ist unsere obige Behauptung bewiesen.

Wir setzen nach , wo den Wert oder hat. Es genügt folglich, wenn gesetzt wird, die Zahl , gegebenenfalls nach Multiplikation mit dem Quadrat einer geeigneten Zahl aus , der Kongruenz nach . Die Zahlen und definieren stets einen zyklischen Körper vom Grade . Denn im Falle stimmt mit überein und im Falle enthält der Körper , da er imaginär ist, sicher noch andere Zahlen, als in vorhanden sind. Da eine ganze Zahl ist, deren Partialdiskriminante in bezug auf zu prim ausfällt, so ist die Partialdiskriminante des Körpers in bezug auf prim zu . Es ist daher die Zahl im Körper nicht gleich der -ten Potenz eines Primideals. Bezeichnet ein in enthaltenes Primideal des Körpers , so muß der Trägheitskörper von in den zweiten Grad besitzen; dieser Trägheitskörper müßte daher gleich sein, was nicht möglich ist, da die Diskriminante von eine Potenz von ist. Damit ist unsere ursprüngliche Annahme widerlegt, d. h. es ist bewiesen, daß die beiden Körper und miteinander identisch sind.

Wir beweisen nunmehr den Kroneckerschen Fundamentalsatz in folgender Art. Zunächst ist leicht aus der Theorie der Abelschen Gruppen ersichtlich, daß ein jeder Abelsche Körper sich aus zyklischen Körpern zusammensetzen läßt, deren Grade die Potenzen einer Primzahl sind; es ist daher nur nötig, zu zeigen, daß ein jeder solcher zyklische Körper ein Kreiskörper ist. Infolge des Satzes 3 wird dieser Nachweis auf den Fall zurückgeführt, in welchem die Diskriminante des vorgelegten zyklischen Körpers keine Primzahlen mit der Kongruenzeigenschaft nach enthält. Ist ein zyklischer Körper dieser Art, so besitzt die Diskriminante des in enthaltenen Unterkörpers vom -ten Grade ebenfalls keine Primteiler mit der Kongruenzeigenschaft nach . Wenden wir nun den Satz 4 an und berücksichtigen, daß nach einem von Minkowski[3] bewiesenen Satze jede Diskriminante Primzahlen als Faktoren enthalten muß, so folgt, daß die Diskriminante des Körpers notwendig eine positive Potenz von ist.

Wir unterscheiden beim weiteren Beweise 2 Fälle, je nachdem eine ungerade Primzahl oder ist. Im ersteren Falle ist nach Satz 5 der Körper . Bezeichnen wir ferner die in enthaltenen Unterkörper -ten, -ten, …, -ten Grades bezüglich mit , , …, , so schließen wir aus eben demselben Satze 5 der Reihe nach , , …, und folglich ist ein Kreiskörper. Im zweiten Falle bilden wir zunächst den aus dem imaginären quadratischen Körper und aus zusammengesetzten Körper ; derselbe ist vom -ten oder -ten Grade, je nachdem imaginär oder reell ausfällt. Der größte reelle Unterkörper dieses Körpers ist vom -ten Grade, wo oder gleich ist; derselbe ist notwendig ein zyklischer Körper. Der in enthaltene quadratische Unterkörper ist ebenfalls reell und stimmt, da seine Diskriminante eine Potenz von ist, mit überein. Bezeichnen wir nun die in enthaltenen Unterkörper -ten, -ten, … Grades bezüglich mit , , …, so folgt nach Satz 6 der Reihe nach , , …, und folglich ist ebenfalls ein Kreiskörper. Damit ist der Fundamentalsatz vollständig bewiesen und zugleich ist ersichtlich, in welcher Weise man alle Abelschen Körper von gegebener Gruppe und Diskriminante aufstellen kann.

     Göttingen, den 25. Januar 1896.


  1. Hierzu siehe auch die entsprechenden Stellen im „Zahlbericht“, dieser Band Abh. 7, S. 205–216.
  2. Dieser Band Abh. 4, S. 13.
  3. J. Math. 107, 295 (1891).


5. Über den Dirichletschen biquadratischen Zahlkörper. Nach oben 7. Die Theorie der algebraischen Zahlkörper.
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