RE:Andros 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kykladeninsel
Band I,2 (1894) S. 2169 (IA)–2171 (IA)
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Andros (ἡ Ἄνδρος). 1) Die nördlichste, längste und nächst Naxos auch umfangreichste der Kykladen (ca. 405,1 qkm.), ein langer von Nordwest nach Südost gestreckter Bergrücken, der ursprünglich jedenfalls sowohl mit dem nordwestlich davon gelegenen Euboia wie auch mit dem nur durch einen schmalen, für grössere Fahrzeuge unzugänglichen Kanal (jetzt Stenó) von der Südspitze von Andros getrennten Tenos (vgl. Aesch. Pers. 885f.) ein zusammenhängendes Ganzes gebildet hat. Das hauptsächlich aus Glimmerschiefer bestehende Gebirge, das die Insel erfüllt und etwa inmitten im jetzigen Kuvara zu 975 m. aufsteigt, ist in seinen obersten Teilen durchaus kahl, aber die Abhänge sind mit terrassenförmig angelegten Feldern und weiter abwärts mit ausgedehnten Weingärten bedeckt, die noch jetzt einen guten Wein liefern; in den das Gebirge von West nach Ost durchziehenden Querthälern wachsen Feigenbäume, Citronenbäume und Maulbeerbäume in grosser Anzahl, daher bilden Südfrüchte, Seide und Wein neben den Erträgen der Viehzucht jetzt die Hauptproducte von A. Die Insel soll, nachdem sie früher verschiedene andere Namen geführt (s. Plin. n. h. IV 65), von einem A. oder Andreus, Sohn des Eurymachos oder des Anios, dem sie Rhadamanthys geschenkt habe, besiedelt und benannt worden sein (Steph. Byz. Konon. narr. 41. FHG IV [2170] 460. Diod. V 79. Paus. X 13, 3); nachdem dieser infolge von Streitigkeiten sie wieder verlassen, sei sie von Pelasgern besetzt worden (Konon. a. O.; vgl. auch Serv. Aen. III 80. Ovid. met. XIII 647ff.). Das Vorwiegen des Dionysoskultes auf der Insel könnte auf thrakische Bevölkerung, wie auf Naxos, schliessen lassen; doch ist dieser vielleicht erst durch die Ionier eingeführt worden. Die Insel muss frühzeitig eine nicht unbedeutende Seemacht besessen haben, da sie um das J. 654 v. Chr. mehrere Colonien auf der thrakischen Halbinsel Chalkidike an der Westküste des strymonischen Meerbusens (Akanthos, Sane, Stageiros und Argilos) gründete (Thuk. IV 84. 88. 103. 109). Nachdem sie zur Flotte des Xerxes einige Schiffe gestellt hatte (Herod. VIII 66), wurde sie nach der Schlacht von Salamis, da sie die Zahlung einer Geldbusse verweigerte, von der griechischen Flotte belagert, aber ohne Erfolg (Herod. VIII 111. 121), trat später wie die übrigen Kykladen dem attischen Seebunde bei, zu welchem sie zuerst 12, dann 6, zuletzt 15 Talente beisteuerte, etwa wie Naxos; dann fiel sie im J. 408 ab (Xen. Hell. I 4, 21); aber als Athen sich wieder erholt hatte, kam A. abermals unter die Botmässigkeit desselben (vgl. CIA II 62) und wurde durch attische Beamte (ἄρχοντες) regiert (Aeschin. I 107). Von einer makedonischen Besatzung ward sie im J. 308 durch Ptolemaios befreit (Diod. XX 37, 1) und damals wird ihre Münzung begonnen haben, die im ganzen Dionysos beherrscht. Um die Mitte des 3. Jhdts. ist sie wieder im Besitze der Makedonier (Droysen Hellenism. III 329. 344), denen sie im J. 200 v. Chr. von dem mit den Römern verbündeten Attalos von Pergamon abgenommen wird (Liv. XXXI 15. 45). Nach dem Tode des Attalos III. Philometor (133 v. Chr.) kam sie mit der übrigen pergamenischen Erbschaft an Rom. Seit dem 13. Jhdt. bildete sie wieder unter dem Schutze Venedigs eine selbständige, anfangs der Familie Zenon, dann den Sommarivas gehörige Herrschaft, bis sie von den Türken genommen wurde (vgl. C. Hopf Geschichte der Insel Andros und ihrer Beherrscher im J. 1207–1566, Sitz.-Ber. Akad. Wien XXI 1855, 221–262). Die der Insel selbst gleichnamige Stadt lag an der Mitte der Westküste gerade unterhalb des höchsten Berges der Insel, bei dem jetzigen Palaeopolis; sie hatte eine von Natur sehr feste Akropolis, von welcher Mauern an der Nordostseite erhalten sind, und an deren Osthang bis in eine kleine Niederung am Meere die Stadt sich hinzog; diese besass einen Tempel des Dionysos mit einer Διὸς θεοδοσία (θεοδαίσια) genannten Quelle, die angeblich während der Festfeier des Dionysos sieben Tage lang Wein gab (Plin. n. h. II 231. XXXI 16. Paus. VI 26, 2. Philostr. imag. I 25), einen Tempel des Apollon, der Hestia Bulaia, und ein unweit des Meeres gelegenes Heiligtum der Athene Tauropolos (Ταυροβόλος, wohl irrig, Suidas s. Ταυροπόλον). Als Hafen diente ihr die weiter nördlich gelegene, ebenso geräumige wie sichere, nur gegen Süden geöffnete Bucht, welche noch jetzt ihren alten Namen Γαύριον) (Xen. Hell. I 4, 22. Diod. XIII 69; bei Liv. XXXI 45 fälschlich Gaurelon) bewahrt hat. Eine halbe Stunde östlich davon steht noch ein wohlerhaltener, aus grossen unregelmässigen Schieferquadern erbauter runder [2171] hellenischer Turm (Ansicht bei Fiedler Reise durch Griechenl. II Taf. IV 1), der wahrscheinlich zum Schutze der Umwohner im Notfalle diente. In der Nähe finden sich von den Alten betriebene Eisenbergwerke. Vgl. J. E. Rivola De situ et antiquitatibus insulae Andri commentatio, Freib. 1844. Ross Reisen auf den griech. Inseln II 12ff. Meyssonnier Bull. Soc. Géogr. 1870, 158. Ἀ. Μηλιαράκης ὑπομνήματα περιγραφικὰ τῶν Κυκλάδων νήσων. Ἄνδρος. Κέως, Athen 1880, 110. Διονύσιος Πίστις περιγραφὴ τῆς νήσου Ἄνδρου, Hermupolis 1881. R. Weil Athen. Mitt. I 235. Inschriften CIG II 2348f. und p. 1063f. Le Bas II 1796–1827. Miliarakis a. O. R. Weil a. O. Dragatsis Παρνασσός 1881, 785. Münzen Head HN 410. Engl. Seekarte 1820, mit richtigerer Nomenclatur bei Miliarakis.