RE:Dictio dotis

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Mündliches Dotalversprechen
Band V,1 (1903) S. 390 (IA)–392 (IA)
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Dictio dotis war eine Art der Bestellung einer dos (s. d.), die im spätrömischen Rechte verschwand (vgl. Cod. Theod. III 13, 4 mit Cod. Iust. V 11, 6). Sie wird neben der dotis promissio, der Bestellung einer dos durch stipulatio, und der dotis datio (der unmittelbaren Zuwendung eines Vermögensvorteiles zum Dotalzwecke) genannt. Dos aut datur aut dicitur aut promittitur Ulp. VI 1. XI 20. Es liegt hiernach nahe, in ihr ein mündliches Dotalversprechen zu sehen, das nicht, wie die Stipulation, eine Antwort auf die vorhergehende Frage des Gläubigers enthielt. Dass der Empfänger einer solchen Zusage ihr irgendwie zustimmen musste, kann nicht bezweifelt werden (Karlowa R. R.-G. 200). Wider Willen kann niemand als dotiert gegolten haben, [391] da sich aus dem Empfange der dos Pflichten ergaben. Bestritten ist dagegen und nach Lage der Quellen nicht völlig unzweifelhaft, ob der Empfänger der D. d. ihr ausdrücklich zustimmen musste (dagegen u. a. Karlowa R. R.-G. a. a. O. und Jörs in Birkmeyers Encyklopädie 155, vgl. hierzu auch Bechmann Röm. Dotalrecht § 75. Puchta-Krüger Inst.¹º 408 § 292 Anm. h). Donat. zu Terent. Andr. 950. Gai. ep. II 9, 3. Die D. d. trat also an die Stelle der promissio dotis, was ausdrücklich bezeugt ist, Cod. Theod. III 13, 4. Sie muss aber auch an Stelle einer acceptilatio (Schuldtilgung durch Frage und Antwort) vorgekommen sein. Vgl. Dig. XXIII 3, 44, 1, eine Stelle, die sich ursprünglich auf eine D. bezogen haben muss (Karlowa a. a. O. 204. Puchta-Krüger Inst.¹º 408 § 292 i): quod mihi debes aut quod mihi filius tuus debet, doti tibi erunt. In diesem Falle trat sie also nicht an die Stelle einer promissio dotis, sondern einer acceptilatio dotis causa, eines Falles der datio dotis (Voigt R. R.-G. II 554 § 104 Anm. 16), vgl. hierzu Bechmann Röm. Dotalrecht § 78 und dazu Scheurl Krit. Vierteljahrsschr. XI 126. Hiernach war also die D. d. eine mündliche Dotalbestellung, die dazu bestimmt war, solche Bestellungsformen zu ersetzen, die durch Frage und Antwort hätten zu stande kommen müssen (Gai. ep. II 9, 3). Sie wurde überflüssig, seitdem das formlose Dotalversprechen galt (Cod. Theod. III 13, 4), und auch bei der acceptilatio die verba solennia, wie es scheint, ausser Gebrauch kamen.

Dass die D. d. auch für andere Geschäfte als die beiden genannten einzutreten vermochte (Bernstein Z. Lehre von der Dotis dictio, Berlin 1884), ist nirgends bezeugt. Es würde auch, wenn dies der Fall gewesen wäre, schwer erklärbar sein, warum sie dann nicht allen Dotalbestellern zugänglich gewesen sein sollte. Überhaupt giebt nahezu den einzigen Anhalt zur Aufklärung des Zweckes der D. d. der Umstand, dass in ihrer Form nicht so, wie in den andern, jeder beliebige eine dos bestellen konnte. In der Form der D. d. zur Dosbestellung berechtigt waren vielmehr nur die männlichen Verwandten in aufsteigender Linie, die Frau selbst und ihr Schuldner, den sie zu Dotalzwecken ihrem Gatten überwies, Ulp. VI 2. Wenn Fragm. Vat. 100 von einer Mutter erzählen, die für ihre Tochter eine dotis dictio vorgenommen hatte, so wird diese Mutter wohl eine Schuldnerin der Frau, etwa aus einer Erbteilung, gewesen sein (vgl. hierzu Karlowa a. a. O. 302 und daselbst weitere Quellenstellen, auch Czyhlarz Röm. Dotalrecht 1870, 112, der annimmt, dass der Schuldner der Frau erst im späteren Rechte die Befugnis zur D. d. erlangt habe, als diese nicht mehr, wie früher, ein Bestandteil der sponsalia gewesen sei). Diese zur D. d. allein Befugten sollen nach Karlowa 202 ‚die aus socialen Gründen an der Dotierung interessierten Personen‘ gewesen sein. Ihnen gegenüber habe, so nimmt man an, die vorherige Frage des Empfängers nach der dos als unziemlich gegolten (Scheurl Krit. Vierteljahrsschr. XI 124. Karlowa a. a. O. R. Leonhard Institut. 420 Anm.). Beides passt zu der Frau und ihren väterlichen Ascendenten, nicht aber zu dem Schuldner der Frau, dem sie das Dotalversprechen [392] anbefahl. Allerdings war dieser ein ‚Organ der Frau‘ (Karlowa 202), allein auch der Schuldner des Vaters, den dieser zum Dotalversprechen anwies, war des Vaters Organ, und dennoch war ihm die D. d. verschlossen (Karlowa 203). Befriedigend ist dagegen die Deutung des beschränkten Kreises, dem die D. d. zustand, aus einem Hinblicke auf die Vorbehalte, die die Frau oder für sie ihr Vater oder ihr Schuldner bei der Dosbestellung häufiger machte, falls eine grössere Vermögensmasse, z. Β. ein Erbteil, als dos hingegeben wurde (receptio, Gell. XVII 6, 1. Voigt R. R.-G. I 782 § 68 Anm. 23). Der Schuldner des Vaters konnte dagegen, wenn er dem Empfänger der dos überwiesen war, für die Frau nichts vorbehalten, weil das, was er zu leisten hatte, ihr überhaupt nicht zukam, sondern ihrem Vater. Nur der Schuldner der Frau vermochte auf ihren Befehl einen Teil des Geschuldeten zu ihren Gunsten von dem Dotalversprechen auszunehmen, und auch der Vater durfte kraft seines Rechts der Fürsorge für sie solche Vorbehalte machen. Wo nun diese beabsichtigt waren, da mussten Rechtsgeschäfte unpassend erscheinen, bei denen der Empfänger der Dos zu fragen und der Besteller zu antworten genötigt war, also die stipulationes und die acceptilationes. Der Empfänger konnte nämlich dann zunächst nicht wissen, was die Frau sich vorbehalten wollte. Ohne das konnte er aber nicht die Frage stellen, die bei solchen Geschäften nur vorbehaltlos angenommen werden durfte (spondeo oder acceptum habeo). Näher lag also in solchen Fällen die genaue Angabe der Dotalgegenstände (dotis dictio) von seiten dessen, der den Vorbehalt machen wollte. War diese aber geschehen, so brauchte der Empfänger der Dos nur zuzustimmen, ohne weiter zu fragen; denn darauf, was er allein hätte fragen können, hatte er ja schon eine Antwort erhalten.

Im spätrömischen Rechte fielen derartige Verhandlungen ohne weiteres unter den Begriff des formlosen Versprechens oder Schulderlasses. Die Stellen, die in der iustinianischen Sammlung auf die dictio dotis Bezug haben (vgl. Karlowa a. a. O. II 201. Puchta-Krüger Inst.¹º 408 § 292 i), sind daher in diesem Sinne zu deuten. Litteratur: Bechmann Das röm. Dotalrecht 1863, 104ff. §§ 75ff. und dazu Scheurl Krit. Vierteljahrsschr. XI 121ff. v.Czyhlarz Das röm. Dotalrecht 1870, 113ff. 33 und Institutionen⁴ 175. 260. Meykow Die Diction der römischen Brautgabe 1850. Bernstein Zur Lehre von der dotis dictio, Berlin 1884. Karlowa R. R.-G. II 199ff. 579. Puchta-Krüger Inst.¹º 408. Sohm Institutionen⁸• ⁹ 444. R. Leonhard Institutionen 419, 5.