RE:Gomorrha

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt, nach s. israelit. Sage im Toten Meer versunken
Band VII,2 (1912) S. 15821584
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Gomorrha, Gomorrha (LXX Γόμοῤῥα), Lagarde Übers. über die im Aram., Arab. und Hebr. übliche Bildung der Nomina 54, MT עֲמֹרָה‎, eine von den vier Städten (Sodom, G., Adma, Zeboim), die nach der israelitischen Sage frühzeitig in das Tote Meer versunken sind. Wo alle vier Städte genannt sind (Gen. 10, 19. 14, 2. 8. Deut. 29, 22. Jub. 13, 22. 23), pflegt G. an zweiter Stelle zu stehen. Aber meist wird G. nur mit Sodom zusammen genannt. Gen. 13, 10. 14, 10. 11. 18, 20. 19, 24. 28. Deut. 32, 32. Jes. 1, 9. 10. 13, 19. Jer. 23, 14. 49, 18. 50, 40. Am. 4, 11. Zeph. 2, 9. Jub. 20, 6. Mart. Jes. 3, 10. Matth. 10, 15. Marc. 6, 11. Röm. 9, 29. II Petr. 2, 6. Jud. 7. Übrigens hat das jahwistische Geschichtswerk Gen. 18. 19 [1583] ursprünglich nur von der Zerstörung Sodoms, nicht aber auch G.s berichtet, Kautzsch Die Heil. Schrift d. Alten Testam. I³ 30. Gunkel Genesis³ 282, und ist G. Gen. 18, 20. 19, 24. 28 erst redaktionell oder glossematisch eingetragen, wodurch eine Ausgleichung mit der von den Propheten Amos (Am. 4, 11), Jesaja (Jes. 1, 9f.) und Jeremia (Jer. 23, 14) vertretenen Auffassung von der Zerstörung zweier Städte hergestellt wurde. (Sievers Metrische Stud. II 289). Als Doppelgänger von Sodom und G. nennt Hos. 11, 8 Adma und Zeboim. Von hier stammen die beiden Namen neben Sodom und G. Gen. 10, 19. Deut. 29, 22, und in dem jungen Midrasch Gen. 14, 2. 8, Kautzsch a. O.³ 20. 25. Gen. 14, 2 trägt zur Zeit Abrahams der fingierte König von G. den Spitznamen Biršaʿ, d. i. ‚in Frevel‘. Der Untergang der ‚vier‘ Städte ist also die literarisch jüngste Stufe der Sage und nicht älter als ca. 600 v. Chr.; vgl. Deut. 29, 22. Durch die Sodom-Gomorrhasage soll die Entstehung des Toten Meeres erklärt werden, indem der schauerlich schöne Eindruck der heißen Einöde durch ein über einst blühende und in lachender Au gelegene Städte wegen ihrer Schlechtigkeit (Bedrückung Geringer Jes. 1, 10. 3, 9 Ez. 16, 49, und Knabenschändung Gen. 19, 5ff.) ergangenes göttliches Strafgericht begründet wird. Gen 14, 3 heißt die Gegend, in der G. mit den übrigen Städten einst lag, שִׂדִּים‎ Tal, wofür jetzt vielfach nach Renan Histoire du peuple d’Israel I 116 שֵׁדִים‎ ‚Dämonen‘tal gelesen wird. Die Anschauung, daß an Stelle des Toten Meeres einst ein Paradies gelegen habe (Gen. 13, 10), ist freilich ein Irrtum. Denn schon in prähistorischer Zeit mündete der Jordan in das Tote Meer, Baedeker Paläst. u. Syrien⁷ 123f. Damit wird aber die genauere Lage von G. schwer bestimmbar. Blanckenhorn ZDPV XIX 51ff. nimmt an, daß G. mit den übrigen Städten einst an der Stelle der südlichen 1–6 m tiefen Ausbuchtung des Toten Meeres gelegen habe, und daß eben dieser Teil desselben durch die Gen. 19 erzählte Katastrophe entstanden sei. Aber dazu würde 1. nicht stimmen die Lage der Stadt צֹעַר‎ Gen. 19, 22, die an der südöstlichen Spitze des Toten Meeres zu suchen ist, und 2. widerspricht der Ansicht Blanckenhorns, daß die südliche Bucht des Toten Meeres nur durch ein Einsinkungen veranlassendes tektonisches Beben entstanden sein könne (S. 52), der Wortlaut von Gen. 19, 24, der auf eine vulkanische Eruption weist: kommt doch hier Schwefel und Feuer von oben, nicht von unten her! Auch ist von Wasser gar keine Rede. Da ein vulkanischer Ausbruch in historischer Zeit am Toten Meer nicht stattgefunden haben kann, folgert Gunkel Genesis³ 215f. mit Recht, daß die Sodomsage sich ursprünglich auf einen andern Ort bezogen habe und erst sekundär auf das Tote Meer übertragen sei. Ed. Meyer Die Israeliten und ihre Nachbarstämme 71 vermutet, daß die Sodomsage eigentlich die Entstehung einer der unheimlichen Ḥarras (Lavafelder) Arabiens erklärt habe. Das könnte für die Sodomsage zutreffen. Die Israeliten könnten sie von Arabien, d. h. von Midian aus, wo sie als Nomaden einst weilten, nach Kanaan mitgebracht und hier auf das Tote [1584] Meer übertragen haben. Die Brücke bildete vielleicht die möglicherweise ursprünglich am Toten Meer, und zwar an seinem Südende haftende G.-Sage, mit der sich die Sodomsage verband. G. עֲמֹרָה‎ bedeutet nämlich wahrscheinlich ‚durch Wasser versunkenes Land‘, Gesenius Thesaurus II s. עמר‎ und Lagarde Übersicht 54. Der Name ist natürlich erst entstanden nach der Katastrophe, die durch Versinken von Land in Wasser – vielleicht auf die von Blanckenhorn ZDPV XIX 51ff. beschriebene, aber nicht Gen. 19 vorausgesetzte Weise – herbeigeführt wurde. Durch das lexikalische Ergebnis wird das literargeschichtliche bestätigt, daß die G.-Sage mit der Sodomsage ursprünglich nichts zu tun hat. Die ältesten schriftstellernden Propheten Amos ca. 750 (Am. 4, 11) und Jesaja ca. 740–700 (Jes. 1, 9. 10) sind die ältesten literarischen Zeugen für die Verbindung der Sodom- und G.-Sage. Die erstere mag midianitisch-israelitischer, die andere kanaanitischer Herkunft sein.

[Beer.]