RE:Iezdegerd 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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I. Persischer König 399-420 n. Chr.
Band IX,1 (1914) S. 961964
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Iezdegerd. 1) Iezdegerd I. (pehl. Iazdkart, arm. Iazkert, griech. Ἰσδεγέρδης u. Ἰσδιγέρδης, syr. Izdeger(-d)), mit vollerem Namen Ramschetri Iazdkart (so auf den älteren Münzen seiner Regierung), persischer König aus dem Geschlechte der Sassaniden, regierte vom 14. Aug. 399 bis Spätsommer 420 n. Chr. Über seine Abkunft gehen die Berichte auseinander; nach einigen (Ṭabarī, Ḥamza, Ibn Ḳotaiba, Belādorī) war Bahram IV. Kermānschāh, Sohn des Sāpōr II., sein Vater; besser bezeugt (so durch Iarḳūbī, Bērūnī, daneben auch Ṭabarī, Elias Nisibenus, Lazar von Pharp, und bes. die Akten der Synode von Seleucia) ist der Name Sāpōr, d. i. wohl Sāpōr III. (384/388).

I.s Regierung bedeutete die vollständige Abkehr von der durch Sāpōr II. eingeschlagenen Politik der Gegnerschaft zum Römer- und Christentum. Hatte schon Ardaschīr II. (379/384) den Christen gegenüber eine gewisse Duldung gezeigt, Sāpōr III. (384/388) mit Ostrom einen Friedensvertrag abgeschlossen und Bahram IV. (389/399) sich mit dem Kaiser Arcadius über ihre beiderseitigen Interessensphären in Armenien geeinigt, so ‚liebte I. die Römer und bemühte sich um ihre Freundschaft‘ (Sokr. hist. eccl. VII 8) und war der erste Sassanide, der den persischen Christen eine Rechtsstellung einräumte. Wieweit das eine die Folge des anderen war, ist nicht auszumachen; jedenfalls war die erste Sorge seiner Regierung die Pflege guter Beziehungen zum Römerreiche. Bis zum J. 408 zogen sich diplomatische Verhandlungen [962] mit Byzanz hin, deren Erfolg für I. darin bestand, daß er ‚wegen seiner Hochherzigkeit den höchsten Ruf genoß‘ (Procop. bell. Pers. I 2, 7) und von Kaiser Arcadius 408 in seinem Testamente zum Vormunde seines Sohnes und Nachfolgers Theodosius II. eingesetzt wurde (Procop. a. a. O.), was dann wohl die Veranlassung zum Abschluß eines Friedensvertrags zwischen Persien und Ostrom gab (Sokr. VII 8. Nikeph. XIV 18. Liber Turris I 29. II 22).

Das Wohlwollen I.s gegenüber den Christen fand seinen ersten Ausdruck in der Gunst, die er dem 399/400 als römischen Gesandten in Ktesiphon weilenden Bischof von Maifarket, Marutha, angeblich infolge einer wohlgelungenen ärztlichen Kur, zuwandte; der Bemühung Maruthas gelang es, den hervorragend tüchtigen Bischof von Kaschkar, Isaak, auf den Bischofsstuhl der Residenz zu bringen. Hieran schloß sich eine Reihe von christenfreundlichen Maßnahmen I.s, die der Prolog des Protokolls der Synode von Seleucia dahin zusammenfaßt, daß er ,der Gemeinde Christi Befreiung und Erleichterung verschaffte, den Dienern Gottes das Recht gab, freimütig Christus in ihrem Leibe, in Leben und Tod zu verherrlichen‘, daß er ferner ,in seinem ganzen Reiche befahl, es sollten die von seinen Vorgängern zerstörten Kirchen prächtig wieder aufgebaut, die umgestürzten Altäre sorgsam bedient werden und solche, welche durch Bande und Schläge geprüft und versucht worden waren, die Freiheit erhalten und Priester und Vorsteher mit dem ganzen heiligen Bunde in Freimut, ohne Gefahr und Furcht wandeln‘. Gemahnt dieses Verhalten I.s an das von Konstantin d. Gr. in dem Edikt von Mailand gegenüber den Christen bezeigte Entgegenkommen, so wird die Ähnlichkeit zwischen beiden Regenten noch schlagender durch I.s Stellung zur Synode von Seleucia (410), von der aus die Konstituierung der persischen Kirche datiert. Infolge mündlicher Anregung seitens Maruthas und schriftlicher seitens verschiedener angesehenen Kirchenhäupter Syriens und Mesopotamiens nahm I. es in die Hand, die 40 Bischöfe seines Reiches nach Seleucia-Ktesiphon zu einer Synode zu berufen. In der Hauptsitzung vom 1. Februar 410 wurden nach erfolgter Einigung auf das nizänische Glaubensbekenntnis 21 Kanones angenommen, darunter auch ein solcher, der, auf I.s Befehl zurückgehend, dem Bischof von Seleucia-Ktesiphon die Stellung eines Katholikos des persischen Reiches übertrug. Hinter die Verpflichtung der Bischöfe auf die Beschlüsse der Synode wurde noch der Zwang gestellt, daß der ihnen Zuwiderhandelnde ‚von seiten des Großkönigs ein scharfes Urteil erfahren und mit Schimpf und Schande in bittere Bande geworfen werden solle‘. Erfüllte der Ausgang der Synode die Christen Persiens mit Sicherheitsgefühl, in das sich gelegentlich sogar die Hoffnung mischte, I. werde selber zu ihnen übertreten (was nach Sokr. VII 8 nur durch seinen vorzeitigen Tod verhindert worden wäre), so erklärt sich aus ihm wohl am besten die tiefe Verstimmung der Feuerpriester und Adeligen, welche den König von nun als ,Sünder` (bazagār, arab. atīm), d. h. [963] als einen Frevler an der persischen Staatsreligion betrachteten und damit den Grund legten zu dem abstoßenden Charakterbilde, das die persisch-arabische Annalistik von ihm gibt. Der gleiche Mann, dem die christlichen Quellen mit Vorliebe die Beinamen ‚gut‘, ‚barmherzig‘, ‚christlich‘, ‚ausgezeichnet‘ geben, erscheint z. B. bei Ṭabarī in der Rolle eines Tyrannen, Ränkeschmiedes und selbstsüchtigen Menschenfeindes, der von seinem scharfen Verstande, seiner feinen Bildung und vielseitigen Kenntnissen stets den unrichtigen Gebrauch gemacht hätte.

Als ein Zeichen weiteren Vertrauens gegenüber den Christen kann man es deuten, wenn I. 417/418 den Katholikos Iahballāha als Gesandten nach Byzanz schickte ,im Interesse des Friedens und des guten Einvernehmens zwischen den beiden Reichen, den starken Stützen der Welt‘ (Syn. orient. S. 277), worauf der Kaiser u. a. mit der Übersendung reicher Geschenke für die Kathedrale von Seleucia antwortete (G. Hoffmann Ausz. aus. syr. Akten pers. Märt. S. 41). So konnte auch in Beisein eines kaiserlichen Abgesandten, des Bischofs von Amid, Akakios, 419/420 eine zweite Synode abgehalten werden, welche Iahballāha leitete. Erst nach dem Tode dieses einflußreichen Prälaten (420) scheint I.s Vorliebe für das Christentum abgenommen zu haben, und zwar infolge von Eingriffen einzelner persischer Christen in geheiligte Einrichtungen der Feuerreligion. Ein derartiger Fall, der bis nach Byzanz hin Staub aufwirbelte, betraf die Zerstörung eines an eine Kirche stoßenden Feuertempels durch den Priester Haschu, hinter dem der Bischof Abda von Hormizdardschir (el-Ahwāz) stand - ein selbst von Theodoret (hist. ecel. V 88) als ‚unzeitgemäß‘ bezeichnetes Vergehen gegen das persische Staatsgesetz. Die Täter wurden von I. auf ihre Weigerung, das Zerstörte wiederherzustellen, dem Henker zur Hinrichtung übergeben. In einem zweiten Falle handelte es sich um einen Privatmann, namens Narsai, der dafür, daß er einen Feueraltar abgebrochen hatte, welcher in eine christliche Kirche hineingesetzt worden war, zunächst neun Monate lang in Untersuchungshaft gehalten und dann getötet wurde - ob auf Befehl I.s, ist ungewiß. Im Hinblick auf diese beiden Fälle kann man I. noch nicht zum Christenverfolger stempeln; denn sie bedeuteten strafwürdige Vergehen gegen die persische Staatsreligion. Auch erwähnt Sokrates (VII 18) ausdrücklich, daß I. nicht die Christen verfolgt habe. Nun reden aber syrische Quellen (Hoffmann S. 35, 40) von einem königlichen Edikte, das die Zerstörung der Kirchen und Klöster sowie die Sistierung des christlichen Gottesdienstes angeordnet habe, sowie von der Verhaftung vieler Christen, was in Verbindung mit der Angabe Theodorets, I. machte Krieg mit der Kirche‘ (V 38), den Anschein erweckt, als ob es dem Könige darum zu tun gewesen wäre, die Kirche auch einmal seine Strenge fühlen zu lassen oder der Partei der Magier und solchen, die - nach Ṭabarī - ‚wegen seiner Rücksichtslosigkeit und aus Furcht vor seiner Gewalttätigkeit sich innig verbunden hatten und [964] einander unterstützten‘, sich einmal gefällig zu erweisen. Wie hierüber ein Dunkel achwebt, so auch über seinem bald nachher eingetretenen Ende. Sicher ist, daß er im Osten seines Reiches (nach Ṭabarī in Gorģan , nach Firdūsi in Tūs) eines plötzlichen Todes starb - wie die persisch-arabische Überlieferung sagt, vom Hufe eines Pferdes getroffen, das nach dem Tode des Königs ebenso spurlos verschwunden sei, wie es geheimnisvoll gekommen wäre. Dieser mysteriöse Bericht läßt vermuten, I. sei heimlich von den Magiern aus dem Wege geräumt; wurde doch auch sein Sohn Sāpōr, der auf die Nachricht vom Tode des Vaters Persisch-Armenien, seinen Verwaltungsdistrikt, verließ, um Thronansprüche geltend zu machen, in Ktesiphon ermordet, dagegen derjenige von I.s Söhnen, der wahrscheinlich in Strafverbannung bei König Mundir von Hīra sich befand, Bahrām V. Gōr, zum König 0 gemacht, dessen erstes es war, eine Christenverfolgung im Stile Sāpōns II. ins Werk zu setzen.